Venezuela nach dem Tod von Hugo Chavez ist ein bisschen wie Apple nach dem Ableben von Steve Jobs: Die strategischen Geniestreiche der charismatischen Anführer – hier ein „bolivarischer“ Sozialismus des 21. Jahrhunderts, dort die i-Revolution von iPod bis iPad – sind Vergangenheit, die blassen Nachfolger – Staatspräsident Nicolas Maduro und Apple-Chef Tim Cook – müssen sich erst beweisen und halten ihre Anhänger bislang vor allem mit wenig überzeugenden Schaustücken bei Laune. Auf den ersten Blick liegen südamerikanischer Sozialismus und westlicher Konsumkult zwar weit auseinander. Doch wie sich in diesen Tagen in Caracas zeigt, gibt es durchaus Bezugspunkte zwischen dem vermeintlichen Gegensatzpaar.
So identifizierte die venezolanische Regierung um Maduro Anfang November überhöhte Preise bei der Elektronik-Kette Daka als einen Grund für die steigende Unzufriedenheit im Volk. Die Handelskette betreibe Preisspekulationen und verkaufe Waren bis zum Zehnfachen des Einkaufspreises, so die Vorwürfe. Kurzerhand ließ die Regierung die Filialen von Daka durch Soldaten besetzen, verhaftete die Marktleiter unter dem Vorwurf von Wuchergeschäften und sorgte eigenhändig für „faire“ Preise. Ab sofort wurden die verfügbaren Produkte zum Einkaufspreis oder sogar darunter angeboten.
Wie zu Zeiten des BRD-DDR-Grenzverkehrs
Hintergrund der Auseinandersetzung um die Verkaufspreise der Elektronik-Kette ist eine Wechselkursproblematik wie man sie u.a. vom einstigen BRD-DDR-Grenzverkehr kennt: Das staatswirtschaftlich organisierte Venezuela hat einen offiziellen Dollar-Wechselkurs von 6,3 festgelegt, der Schwarzmarktkurs liegt dagegen um das Sieben- bis Zehnfache darüber. Da es sich bei den von Daka angebotenen Haushaltsgeräten, Rechnern und Handys in der Regel um eingeführte Ware handelt, kam es also zu einer erheblichen Diskrepanz zwischen dem offiziellen Anschaffungspreis und dem – am tatsächlichen Warenwert im informellen Handel orientierten – Verkaufspreis.
Insofern entsprachen die präsidentiell durchgesetzten „Schweinepreise“ tatsächlich der staatswirtschaftlichen Logik des Landes, doch hatte man das wenig sozialistische Verhalten der eigenen Bevölkerung unterschätzt. Nach den Preissenkungen kam es bei Daka zu spektakulären Kundenanstürmen und nutzte, wer den eigenen Bedarf befriedigt hatte, die neuen Schnäppchenpreise um sich für den Wiederverkauf auf dem Schwarzmarkt einzudecken. Das entstehende Chaos mündete schließlich in die Mitte der Woche vollzogene komplette Verstaatlichung der Elektronik-Kette – wie es heißt für unbestimmte Zeit. Daka untersteht nun einem General der venezolanischen Armee, die in dem Land ohnehin ein beträchtlicher Wirtschaftsfaktor ist.
Nicht ganz unschuldig an dem Vorgehen der Regierung des Landes mag übrigens sein, dass auch in Venezuela am 24. Dezember Weihnachten gefeiert wird und mitten im festlichen Einkaufstrubel Anfang Dezember Kommunalwahlen anstehen. Im Vergleich zu solch durchsichtigen politischen Manövern lobt man sich die Demokratie westlicher Art, wo Schnäppchenfreitag und Cyber Monday vier Wochen vor Weihnachten ebenfalls für deftige Preissenkungen sorgen – allerdings ganz demokratisch durch die Macht der Konsumenten legitimiert und nicht präsidentiell verordnet. (mh)
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