Ratgeber für Fachhändler

Der Weg zum eigenen Online-Marktplatz

Als Regional Vice President DACH verantwortet Georg Sobczak bei Mirakl die Wachstumsstrategie des SaaS-Anbieters für B2C- und B2B-Onlinemarktplätze in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sobczak verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung in der Entwicklung von Vertriebs-, Markteinführungs- und Wachstumsstrategien sowie ein tiefgreifendes Verständnis von SaaS-Geschäftsmodellen. Bevor er 2021 zu Mirakl stieß, war er unter anderem für den Launch und Aufbau der DACH-Region bei Criteo und Pixmania tätig.
Einen eigenen Marktplatz aufzubauen, ist gar nicht so kompliziert. Damit er lukrativ wird, muss aber einiges beachtet werden.
Außer Amazon gibt es noch viele erfolgreiche Branchen-Marktplätze, etwa den von Conrad Elektronic (Elektronik-Equipment samt Zubehör).
Außer Amazon gibt es noch viele erfolgreiche Branchen-Marktplätze, etwa den von Conrad Elektronic (Elektronik-Equipment samt Zubehör).
Foto: Conrad Electronic

Online-Marktplätze boomen noch immer, daran besteht kein Zweifel. In unserer jährlichen Marktanalyse Enterprise Marketplace Index 2022 konnten wir feststellen, dass Marktplätze 2021 im zweiten Jahr in Folge doppelt so stark gewachsen sind, wie der allgemeine E-Commerce. Die Stimmung der Verbraucher spricht eine ähnliche Sprache: Laut einer Studie zum Stand der Akzeptanz von Online-Marktplätzen halten 73 Prozent der Deutschen Marktplätze für die bequemste Art des Einkaufens, und fast zwei Drittel (64 Prozent) wünschen sich, dass mehr ihrer bevorzugten Einzelhändler Online-Marktplätze betreiben.

Marktplätze sind nicht nur ein von der Pandemie befeuerter Trend. Sie sind ein probates Mittel, um neue Marktchancen wahrzunehmen, flexibel auf sich verändernde Kundenanforderungen zu reagieren und um dem gestiegenen Druck zu begegnen - denn noch nie war der Wettbewerb so stark wie heute.

Marktplatz: Ein Modell für alle?

Trotz allem sind Händler und Marken oft noch zögerlich, wenn es darum geht, sich einem Marktplatz anzuschließen oder gar einen eigenen aufzubauen. "Lohnt sich das denn wirklich für mich?", wird oft gefragt. Die Antwort ist so einfach wie eindeutig: Ja! Verbraucher sind bereits durch Unternehmen wie Amazon und Alibaba mit dem Marktplatzmodell vertraut, doch dieses gehört nicht nur den digitalen Giganten!

Verbraucher haben sich zwar an das bessere Kundenerlebnis, die größere Produktpalette und die wettbewerbsfähigen Preise gewöhnt, aber sie wollen auch bei Marken einkaufen, denen sie vertrauen. Die perfekte Kombination? Ein Online-Marktplatz, der von einem Einzelhändler ihres Vertrauens betrieben wird, mit einem breiteren, aber sorgfältig ausgewählten Produktangebot. Jedes Unternehmen in jedem Sektor kann vom Marktplatzmodell profitieren. Marktplätze bieten die Möglichkeit, das eigene Sortiment um Produktkategorien und Angebote zu ergänzen, die perfekt zur eigenen Marke passen.

Die Sorge vieler Händler, dass die Einführung externer Produkte unerwünschten Wettbewerb auf der eigenen Plattform nach sich zieht und Einzelhändler auf ihren Beständen sitzen bleiben, ist ebenfalls unbegründet. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Wenn Verbraucher auf einer Website nicht das finden, was sie suchen, dann ist die nächste Website nur einen Klick entfernt. Ein breiteres, kuratiertes Angebot hilft Marken, die Wünsche ihrer Kunden besser zu erfüllen und flexibler auf sich verändernde Bedürfnisse zu reagieren. Das hat auch der weltweit führende Sportausrüster Decathlon erkannt.

Offen für Neues

Decathlon hat mit der Zeit ein umfangreiches Sortiment eigener Marken aufgebaut, die vor dem Start seines Marktplatzes knapp 90 Prozent des Umsatzes generierten. Dennoch konnten nicht alle Kundenanfragen erfüllt werden. Kunden, die einen bestimmten Artikel suchten, wurden auf der Website häufiger nicht fündig - etwa weil ein Produkt nicht mehr in der gewünschten Farbe oder Größe vorrätig, oder gar nicht Teil des Sortiments war.

2020 baute Decathlon den eigenen Online-Store schließlich zum Marktplatz um und kooperiert nun mit einer Vielzahl geprüfter und oftmals lokaler Verkäufer mit Qualitätsprodukten. Dank wachsender Verkäuferzahlen führte das Unternehmen nicht nur neue Produktkategorien ein, sondern erweiterte auch bestehende Kategorien und profitiert durch die Optimierung von Angebot, Sortiment und Preis heute von einer stetig wachsenden Kundenbasis.

Welche Marktplatzstrategie die richtige für das eigene Unternehmen ist, lässt sich mit einem Blick auf die eigene Zielgruppe, Wettbewerber und weiteren Akteure im Markt sowie die unternehmensinternen Voraussetzungen und möglichen Herausforderungen beantworten. Unternehmen sollten eine klare Vision sowie das Buy-In vom Management haben und klar definieren, welche Ziele durch den Einstieg in die Marktplatz-Ökonomie erreicht werden sollen. Die auf dieser Grundlage zu treffenden operativen Grundsatzentscheidungen sind dann entscheidend für Erfolg oder Misserfolg des Marktplatzes.

Prioritäten setzen

Ist die Entscheidung gefallen, einen eigenen Marktplatz aufzubauen, sollte dem auch von Entscheider und Führungskräften Priorität eingeräumt werden. Soll der neue Marktplatz erfolgreich starten und nachhaltig wachsen, dann darf er nicht lediglich als Pilot- oder IT-Projekt betrachtet werden. Ein eigenes engagiertes Team sowie ausreichend interne und finanzielle Ressourcen müssen bereitstehen, damit das volle Potenzial des Marktplatzes ausgeschöpft werden kann.

Führungskräfte müssen verstehen, welche Transformationskraft ein Marktplatz bietet und den enormen Wert berücksichtigen, den er bereits von der ersten Stunde an für sämtliche Geschäftsbereiche erbringen kann. Außerdem müssen die richtigen Drittanbieter ausgewählt werden, um den eigenen Qualitätsansprüchen gerecht zu werden und dem Markenversprechen treu zu bleiben. Das können aktuelle Lieferanten sein, Händler aus dem eigenen Vertriebsnetz, erfahrene Marktplatzverkäufer oder Brands. Das optimale Ökosystem für Marktplatzwachstum besteht grundsätzlich aus einer Kombination von großen und kleineren Verkäufern.

Zudem ist es wichtig, dass der neue Marktplatz in die bereits bestehende E-Commerce-Strategie und -Plattform (sofern es bereits eine gibt) eingebunden wird. Er sollte vor allem dazu dienen, die eigenen Kernkategorien zu vertiefen oder in ergänzende Kategorien zu expandieren, die für die eigene Zielgruppe relevant sind.

Douglas, Europas führender Parfum- und Kosmetik-Einzelhändler, hat die hiesige E-Commerce-Landschaft lange Zeit mit seinen Beauty-Produkten dominiert. Doch mit der steigenden Zahl der Wettbewerber reichte das eigene Sortiment nicht mehr aus. Ein selektives Partnerprogramm erweitert seit dem Launch des eigenen Marktplatzes im Jahr 2019 das Kernsortiment von Douglas und ermöglicht dem Unternehmen den Vorstoß in Kategorien jenseits des Beauty-Sortiments, wie Gesundheit, Wellness und Premium-Accessoires. Die neuen Kategorien passen gut zur Marken-DNA und steigern die Sichtbarkeit des Unternehmens bei allen für seine Zielgruppe relevanten Keywords.

Seit dem Start des Partnerprogramms haben sich die E-Commerce-Umsätze von Douglas verdoppelt und 2021 konnte der Parfum- und Kosmetik-Einzelhändler zwölf Prozent mehr E-Commerce-Neukunden im Vergleich zu 2020 gewinnen.

Der Schnelle frist den Langsamen

Technisch gesehen ist eines der wichtigsten Elemente beim Launch eines Marktplatzes die Schnelligkeit beim Aufsetzen und Live-Gang. Qualität und Sicherheit dürfen darunter selbstverständlich nicht leiden, sondern müssen den hohen Ansprüchen der Nutzer:innen gerecht werden. Ist der Launch dann ohne Zwischenfälle geglückt, steht dem erfolgreichen Marktplatzwachstum nichts mehr im Wege

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