Steuerhinterziehung

Die strafbefreiende Selbstanzeige



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Der Gesetzgeber muss nachbessern

Die Lösung könnte darin liegen, für Umsatzsteuervoranmeldungen die Teilselbstanzeige wieder einzuführen, aber nicht für Umsatzsteuerjahreserklärungen. Wer Umsatzsteuer bewusst hinterzieht, der tut dies in der Voranmeldung und in der wenig später folgenden Jahreserklärung. Es reicht vollkommen aus, nur bei der Jahreserklärung eine Teilselbstanzeige zu unterbinden. Flankiert werden sollte dies durch eine Bagatellgrenze, unterhalb derer das Vollständigkeitsverlangen des § 371 Abs. 1 AO entfällt. D.h., bei Steuerhinterziehung kleineren Ausmaßes sollte das Finanzamt nicht für alle unverjährten Zeiträume prüfen müssen, ob noch andere Unrichtigkeiten zu Lasten des Finanzamts vorliegen.

Bei der Bagatellgrenze könnte man sich an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Annahme einer schweren Steuerhinterziehung orientieren, aber auch kleinere Schwellenwerte einführen, prozentual und in absoluten Beträgen.

Zur Ehrenrettung der umsatzsteuerpflichtigen Unternehmer und Privatleute sei angemerkt: Auch im Bereich der Einkommensteuer findet in großem Umfang jedes Jahr amtlich geduldete versuchte und vollendete Steuerhinterziehung statt. Bei der Entfernungspauschale zwischen Wohnung und Arbeitsstätte werden ein paar Kilometer hinzugemogelt, nicht geleistete Spenden und Arbeitsmittel werden unterhalb der Nichtaufgriffsgrenze der Finanzverwaltung deklariert, usw. Wer vor fünf Jahren z.B. Spenden hinzugeschummelt und seine Steuerunterlagen vernichtet hat, der weiß dies heute nicht mehr und kann nicht guten Gewissens eine Selbstanzeige für im letzten Jahr bewusst nicht erklärte Einnahmen abgeben. Die Abschaffung der Teilselbstanzeige zielt somit ungewollt auf breiteste Kreise der Bevölkerung.

Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige

Vollständigkeit

Die strafbefreiende Selbstanzeige muss vollständig sein (Abschaffung der Teilselbstanzeige, s.o.). D.h., für alle strafrechtlich unverjährten Zeiträume einer Steuerart müssen alle Besteuerungsgrundlagen vollständig nacherklärt worden sein. Praktische Probleme ergeben sich bei der Vollständigkeit und der Bestimmung der noch nicht verjährten Zeiträume. Je nach Sachverhalt kann dies bis zu zehn Jahre zurückreichen.

Wenn Sachverhalte unklar sind, weil z.B. Unterlagen fehlen, ist zu schätzen. Hier liegt das größte Risiko für die Vollständigkeit: unterschiedliche Schätzungen von Finanzamt und dem Betroffenen. Ein weiteres Risiko sind unentdeckte Fehler zu Lasten des Finanzamts in Steuererklärungen früherer Jahre.

Rechtzeitigkeit

Eine wirksame Selbstanzeige ist nicht möglich, soweit dem Betreffenden eine Prüfungsanordnung der Finanzverwaltung oder die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekanntgegeben wurde, ein Angehöriger der Finanzverwaltung zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit beim Betroffenen erschienen ist oder wenn die Tat bei Nacherklärung bereits ganz oder teilweise entdeckt war und der Täter dies wusste oder damit rechnen musste.

Bezahlung

Straffreiheit tritt nur bei vollständiger Bezahlung der Steuern zu den nicht strafverjährten Zeiträumen innerhalb angemessener Frist ein. Wenn die verkürzte Steuer je Tat 50.000 € überschreitet, tritt Strafbefreiung nur durch Zahlung eines Zuschlags von 5 % der hinterzogenen Steuer ein.

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