Das Prinzip der minimalen Führung

Mit weniger Aufwand mehr Wirkung erzielen

14.09.2009

Aber müssen Führungskräfte nicht gerade in der aktuellen Krisensituation Präsenz zeigen?

Kissel: Präsenz ja. Aber das heißt nicht, dass sie die Arbeit ihrer Mitarbeiter miterledigen müssen. Im Gegenteil! Gerade in schwierigen Zeiten sollten Führungskräfte ihre Mitarbeiter stärker in die Mitverantwortung nehmen, damit sie selbst mehr Freiraum haben. Denn dann können sie leichter und beschwingter die neuen Herausforderungen angehen, die zum Beispiel die Krise mit sich bringt, und gelangen auch zu besseren Lösungen.

Setzt dies ein Umdenken seitens der Führungskräfte voraus?

Kissel: Zum Teil. Letztendlich gibt es viele Führungskräfte, die diesen Ansatz auch schon nutzen und auch verfolgen. Wie konsequent dies jedoch dann erfolgt ist, ist letztendlich eine Frage der Selbstführung. Eine der wichtigsten Maximen des Prinzips der minimalen Führung lautet: Wer eine gute Führungskraft sein möchte, muss zunächst sich selbst führen können - also bei der Arbeit zum Beispiel die richtigen Prioritäten setzen, statt sich mit Nebensächlichkeiten zu verzetteln. Das setzt eine Reflektion des eigenen Tuns voraus. Denn nur eine Führungskraft, die weiß, wo sie den Hebel ansetzen muss, um die größte Wirkung zu erzielen, kann auch in schwierigen Zeiten souverän agieren und ihren Mitarbeitern vermitteln: "Hierauf kommt es bei Eurer Arbeit an."

Das heißt, ihnen den gewünschten Halt und die nötige Orientierung geben?

Kissel: Ja, das habe ich am eigenen Leib erfahren.

Inwiefern?

Kissel: Vor dreizehn Jahren arbeitete ich noch als Führungskraft in einem Versicherungskonzern. Zugleich wollte ich aber meine Selbstständigkeit als Unternehmensberater vorbereiten. Um dies zu ermöglichen, erwog ich meine Arbeitszeit zu reduzieren. Mein damaliger Vorstands war damit einverstanden - unter folgender Bedingung: Die Leistung meines Bereichs durfte darunter nicht leiden. Also musste ich lernen, meine Arbeit optimal zu organisieren und vieles zu delegieren, um mehr Freiräume zu gewinnen.

Und das funktionierte?

Kissel: Ja, unter anderem, weil ich merkte: Viele Dinge, von denen ich lange Zeit dachte, nur ich könne sie machen, lassen sich bei einer entsprechenden Führung auch an meine Mitarbeiter delegieren.

Was Ihre Mitarbeiter vermutlich nicht freute ...

Kissel: Im Gegenteil, sie waren regelrecht erfreut darüber, dass ich ihnen mehr Verantwortung übertrug und sozusagen nicht mehr stündlich bei ihnen auf der Matte stand.

Warum? Waren Sie als Chef so ungenießbar?

Kissel: Nein, aber weil ich seltener da war, musste ich mit meinen Leuten klarere Absprachen treffen. Außerdem musste ich ihnen, mehr Entscheidungs- und Gestaltungsfreiräume zugestehen. Das stimulierte sie, weshalb letztlich auch ihre Leistung und somit der Output steigen.

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