Gastkommentar

Office 365 - runter mit den Spendierhosen

26.03.2012
Warum Microsoft die Preise für Office 365 gesenkt hat - eine Analyse der Experton Group.

"Microsoft, der Platzhirsch im Markt für Office-Lösungen, sieht sich von Google, der Ikone der Online-Welt, herausgefordert und weiß sich hier anscheinend nur durch eine Preisreduktion zu helfen", meint Experton-Analyst Axel Oppermann. Welche weiteren Gründe den Software-Giganten zu diesem Schritt bewogen haben, und welche Folgen daraus für den Channel erwachsen, beleuchtet er im folgenden Beitrag.
Von Axel Oppermann, Experton Group
Microsoft hat in der vergangenen Woche teilweise deutliche Preisnachlässe für seine Cloud-Office-Kollaborations- und Kommunikationslösung Office 365 angekündigt. So reduzieren sich die Kosten für die einzelnen Servicepläne um bis zu 20 Prozent. Noch stärker fällt die preisliche Korrektur bei SharePoint Storage aus.

Hier wird das Gigabyte dem geneigten Anwender 90 Prozent günstiger angedient. Microsoft begründet diese Preissenkungen für die einzelnen Office-365-Servicepläne offiziell mit gesunkenen Kosten für den Betrieb der Cloud Suite und dass der Konzern diese Einsparungen an die Kunden "durchreichen" ("weitergeben") möchte. Dieser Argumentation kann gefolgt werden, muss aber nicht. Will man nämlich nach einer genaueren Analyse dieser Argumentation folgen, muss schon in eine bestimmte Richtung geschaut werden, um zu diesem Ergebnis zu kommen.

An dem Tag, an dem Zitronenfalter Zitronen falten, führen Preissenkungen von innovativen und zukunftsweisenden Produkten, die sich in einem erst entwickelnden Markt etablieren sollen, dazu, dass potente Wettbewerber sich hierdurch beeindrucken lassen oder die anvisierte Zielgruppe ihre Meinungsbildungsphase und Adoptionsprozesse verkürzen.
Da dieser Tag nicht in allzu naher Zukunft zu erwarten ist, ist davon auszugehen, dass die deutliche und zum jetzigen Zeitpunkt unpassende Preisreduktion für Office 365 zu keinem kurzfristig signifikanten positiven Ergebnis führen wird. Vielmehr wird sie für allgemeine Verwirrung, Verdruss bei den Anwendern der ersten Stunde und zumindest für Kopfschütteln bei den Partnern sorgen. Unternehmen, die vor einer Entscheidung für – oder gegen – Office 365 stehen, sollten sich durch die preisliche Kosmetik nicht blenden lassen.

Natürlich ist der Preis – bzw. das wahrgenommene oder vermutete Preis-Leistungs-Verhältnis – bei nahezu jedem Geschäft eine wichtige Größe. Die tatsächliche Bedeutung im Rahmen der Entscheidungs- und Beschaffungsphase variiert jedoch.
So verkaufen sich Lösungen wie Office 365 an kleine und mittelständische Early Adopter insbesondere über Argumente im Umfeld der Themen Funktionalität, Zuverlässigkeit, Skalierbarkeit oder auch Sicherheit. Diesen Unternehmen wird mit Office 365 ein Service geboten, welchen sie selbst in der Regel nicht in vergleichbarer Form im eigenen Unternehmen aus eigenen Mitteln bereitstellen können.
Große Unternehmen gewichten hingegen die Preise für unterschiedliche Services der Anbieter stärker. Bedingt durch ihren Erfahrungsschatz, die eingesetzte Technologie und im Unternehmen vorhandene Kompetenzen, liegt die Messlatte hier einfach auf einer anderen Ebene. Und eben diese Unternehmen finden auch immer öfter Geschmack an den Lösungen von Google.

Was in Deutschland aktuell jedoch noch eher die Ausnahme ist, ist in anderen Märkten wie z.B. in Südamerika oder Großbritannien bereits auf dem Weg zu einer festen Konstante. Google Apps gewinnt dort mehr und mehr Akzeptanz bei Entscheidern und IT-Verantwortlichen bei mittelständisch geprägten Anwendern und den CIOs großer Unternehmen.

Microsoft, der Platzhirsch im Markt für Office-Lösungen, sieht sich von Google, der Ikone der Online-Welt, herausgefordert und weiß sich hier anscheinend nur durch eine Preisreduktion zu helfen. Und so rutscht Microsoft ohne zwingende Not von einer nutzenbasierten Ebene auf eine preis- bzw. kostenfokussierte Dimension. Auch mit den in den kommenden sechs bis neun Monaten zu erwartenden Erweiterungen und Ergänzungen für Office 365 etc. wird es Microsoft dann äußerst schwer haben, wieder den Weg der Nutzenargumentation zu beschreiten.

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