Kommentar der Experton Group

Personalabbau bei HP löst nicht das Problem

04.06.2012

Erstarkende Konkurrenz im Drucker-Bereich

Im Druckerbereich ist die Überlegenheit von HP zurückgegangen. Dies liegt in erster Linie daran, dass die Wettbewerber mittlerweile auch (langsam) lernen, wie in diesem Bereich - insbesondere auch bei den Business-Anwendern - sehr erfolgreich Geschäft gemacht werden kann. HP hat hier jahrelang davon profitiert, den IT-Markt sehr gut zu verstehen - im Gegensatz zu den etablierten "Kopierer"-Herstellern, die sich hier sehr schwer getan haben.
Jetzt fassen Unternehmen wie Konica-Minolta, Ricoh, Kyocera und Xerox in klassischen HP-Accounts Fuß, hinzu kommen "neue" Anbieter wie Samsung. Insgesamt also ein verschärfter Wettbewerb für HP, der weiter hohe Margen wie in der Vergangenheit unwahrscheinlich macht.

Schwächen im Datacenter-Portfolio

Massive Probleme, die in der Ankündigung nicht adressiert wurden, hat HP bei den "Datacenter-Produkten" und hier insbesondere bei einigen Server- und Storage-Produktreihen.

Die HP-Integrity-Baureihe (Itanium, HP/UX) hat aktuell und insbesondere im nächsten Investionszyklus im direkten Wettbewerb kaum Chancen gegen IBM p (Power, AIX) und wird partiell wohl sogar durch Oracle/Sun abgelöst werden. HP muss hier dringend die Migration zu den eigenen Proliant-Systemen massiv unterstützen und fördern, sonst wird die erhebliche und sehr lukrative Kundenbasis zu den Wettbewerbern abwandern.

Ähnlich ist die Situation im Storage-Umfeld. HP hat hier sehr gute Zukäufe (3PAR, Lefthand) getätigt, allerdings werden bei Ausschreibungen immer noch primär die EVA-Systeme berücksichtigt. Die EVA-Systeme, die auf eine Entwicklung von DEC (Digital Equipment) aus dem letzten Jahrtausend zurückgehen, waren seinerzeit geniale Systeme - haben aber aktuell kaum noch Chancen z.B. gegenüber Netapp und EMC. Im Storage-Bereich muss HP die installierte EVA-Basis also klar in Richtung 3PAR entwickeln.

Diese strategischen Zielrichtungen dürften auch HP-intern längst klar sein - warum sieht man aber so wenige Aktivitäten in diese Richtungen?

Der Hauptgrund ist sicherlich, dass ehemals erfolgreiche Produktreihen tief in einer Anbieter-Organisation verankert sind - und das betrifft neben der Entwicklung insbesondere auch Marketing und Vertrieb. Es gibt eine Vielzahl von Mitarbeitern, deren Position, Macht und Einkommen davon abhängt, wie lange Produkte, die am Horizont schon das Ende des Lebenszyklus sehen, künstlich am Leben erhalten werden.

Hier ist das Top Management gefragt - dieses ist nämlich nur dem Gesamtunternehmen und nicht den einzelnen Produktgruppen verpflichtet - und muss teilweise unpopuläre, aber notwendige Entscheidungen treffen. Daran wird sich auch Meg Whitman sich messen lassen müssen.

Der Aufbau und Ausbau des Software-Bereiches war primäre Aufgabe von Léo Apotheker, dieses Unterfangen ist aber erst einmal weitgehend zum Stillstand gekommen.
HP hat sicher einige "Software-Perlen" im Portfolio, der Abstand z.B. zu IBM ist aber beträchtlich. Die Experton Group ist grundsätzlich skeptisch, ob in der heutigen Zeit der Ausbau des Software-Bereiches für einen Anbieter strategisch sinnvoll ist.
Vermeintlich ist hier eine höhere Marge zu erzielen, aber je weiter sich der Gesamtmarkt in Richtung Cloud / SaaS entwickelt, umso mehr werden etablierte Software-Anbieter unter Druck geraten. Vielleicht kein guter Zeitpunkt für HP, um in diesen Markt einzusteigen. Und wenn man sich doch dafür entscheidet, muss man konsequent einen "großen Coup" landen - und das kann aus Experton-Sicht nur die Akquisition von Symantec sein.

Fortschritte im Dienstleistungs-Segment

Im Service-Bereich hat HP in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht und könnte hier durchaus massiv weiter wachsen. In der Industriealisierung der IT-Services (Utility Computing) ist HP relativ weit und auch das stringente Durchsetzen von standardisierten IT-Prozessen (mit allen Vor- und Nachteilen) gehört zu den Alleinstellungsmerkmalen von HP Enterprise Services.

HP könnte im Zeitalter von Cloud sogar einen großen Vorteil aus der mittlerweile relativ seltenen Kombination als Produkt- und Service-Anbieter ziehen, indem es die jeweiligen Vorteile vereint und mit einer Aggregationsschicht verbindet. HP hat diese Ideen und Lösungen auch schon formuliert - unter den Begriffen "Matrix" und "Ccells". Aber auch hier sind potenzielle Konflikte zwischen den internen Interessensgruppen zu erwarten, die gelöst werden müssen. Alles andere als eine klare Führungsrolle von HP Enterprise Services bei diesen Initiativen und eine Zulieferung von hochwertigen Produkten der Product Units wäre hier fatal. Service-Organisationen sollten nicht dafür "missbraucht" werden, Produktverkäufe anzukurbeln.

Dass Ccells als technologische Basis x86 Proliant Server, 3Par Storage, Windows/Linux als OS und spezifische HP-Infrastruktur-Software nutzt, unterstützt oben angeführte Thesen und Prognosen weiterhin.

HP muss allerdings zeitnah den praktischen Einsatz dieser neuen Architekturen und Lösungen - und gerade des hybriden Modells mit Server/Storage im Kunden-Rechenzentrum und additiven, aber integrierten (HP-) Cloud-Services im konkreten Kundeneinsatz - nachweisen, wobei Flexibilität, Performance und Wirtschaftlichkeit als Messkriterien im Vordergrund stehen. Schafft dies HP tatsächlich, ist daraus ein klarer Wettbewerbsvorteil abzuleiten. Falls nicht, ist dies eine schöne Idee ohne praktischen Nutzen.

Fazit

Welchen (positiven) Hintergrund hat also der avisierte Stellenabbau? Es ist in den letzten zwei bis drei Jahren klargeworden, dass das "Making Business with HP" nicht gerade einfach ist - dies war und ist das Feedback von Mitarbeitern, Partnern und Kunden (und nebenbei auch die Erfahrung der Experton Group aus einigen Projekten).
Die Initiativen von Mark Hurd haben dabei die Kosten gesenkt - aber nicht notwendigerweise die Prozesse vereinfacht, verbessert und "schlanker" gemacht. Alle Teilnehmer haben oftmals den Eindruck, dass "HP in den Prozessen erstickt". Die Notwendigkeit zur Veränderung ist also zumindest im Top Management erkannt (wenn auch nicht besonders gut kommuniziert), die Beharrlichkeit der HP Organisation ist aber nicht zu unterschätzen. Auch an diesem "Change-Prozess" werden sich Meg Whitman und andere Top Manager messen lassen müssen - und zwar in erster Linie am Feedback von Kunden, Partnern und Mitarbeitern, ob die Abläufe tatsächlich besser und einfacher geworden sind. Kein einfaches Unterfangen, aber absolut notwendig für die Zukunft von HP.

Nicht zu unterschätzen sind aber auch die negativen Auswirkungen des Stellenabbaus auf die Moral und Motivation von Mitarbeitern und Partnern. Eine fortlaufende Erosion ohne positive Zukunftsprognose hätte hier sehr negative Auswirkungen.

Insgesamt befindet sich HP also in einer sehr kritischen Phase. Dies ist offensichtlich erkannt, und es ist zu hoffen, dass HP in den nächsten ein bis zwei Jahren die richtigen Maßnahmen ergreift, um ein solides und nachhaltiges Wachstum zu erreichen und die Marktführerschaft in zukunftsorientierten Segmenten (wieder) zu erlangen. Ein Stellenabbau greift hier zu kurz, die oben angeführten Themen müssen zeitnah und ganzheitlich adressiert werden.

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