Problemfall: Anerkennung als Freiberufler

25.10.2006
Auswirkungen der geänderten BFH-Rechtsprechung und aktuelle Erkenntnisse aus der Praxis. Von Rechtsanwalt Dr. Benno Grunewald.

Der Weg zum Freiberufler bis 2004:
Bis vor nicht allzu langer Zeit konnte sich ein Selbständiger in der IT nur dann eine Chance auf Anerkennung als Freiberufler ausrechnen, wenn er

- entweder ein einschlägiges Diplom (Ingenieur, Informatiker oder Betriebswirt) in der Tasche hatte oder vergleichbare Kenntnisse glaubhaft machen konnte und

- eine adäquate Tätigkeit ausübte, d.h. entweder als Betriebswirt in einem der Kernbereiche der Betriebswirtschaft oder als Informatiker überwiegend im Bereich der Systemsoftware tätig war.

Diese Voraussetzungen hatte der Bundesfinanzhof (BFH) in zahlreichen Entscheidungen definiert.

Der Weg zum Freiberufler ab 2004:
Mit seiner Entscheidung vom 04.05.2004 hat der BFH dann seine bisherige über 10 Jahre währende Rechtsprechung aufgegeben, als Voraussetzung für die Anerkennung als Freiberufler in der IT zwingend die Entwicklung von Systemsoftware zu verlangen (BFH, Urteil vom 04.05.2004, Az. XI R 9/03).

Die Kernaussage dieser Entscheidung lautet:
"Ein selbständiger Diplom-Informatiker, dessen Ausbildung der Berufsausbildung der Ingenieure vergleichbar ist, übt seit Anfang der 90er-Jahre eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch dann aus, wenn er (vorwiegend) Anwendersoftware entwickelt. Die gegenteilige Rechtsprechung des BFH ist insoweit durch die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse überholt".

Dabei verlangt der BFH, "dass der Steuerpflichtige qualifizierte Software durch eine klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise (Planung, Konstruktion und Überwachung) entwickelt".

Die Praxis der Finanzämter und der Finanzgerichte:Anforderungen an Prüfung zu hoch
Die Finanzämter sind eigentlich mit der Umsetzung der neueren Rechtsprechung des BFH vollkommen überfordert, was mir auch schon mehrfach von Finanzbeamten ohne Umschweife bestätigt wurde.

War schon die alte Differenzierung zwischen Anwender- und Systemsoftware nicht gerade einfach zu beurteilen, so ist die Anforderung, die Tätigkeit des Selbständigen auf eine Ingenieurvergleichbarkeit zu prüfen für das Finanzamt im Grunde nicht zu leisten.

"Trivialsoftware" unbedeutend
Hinzu kommt, dass der BFH meint "nicht jede Tätigkeit im Bereich der Entwicklung von Anwendersoftware ist eine freiberufliche i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG" und in diesem Zusammenhang den Begriff "Trivialsoftware" verwendet.

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