Cloud-Marktplätze

User Experience bestimmt die Kaufentscheidung

Regina Böckle durchforstet den Markt nach Themen, die für Systemhäuser und Service Provider relevant sind - oder es werden könnten - und entwickelt dazu passende Event-Formate.
Auf Basis der CloudBlue-Plattform können Partner sehr schnell ihren eigenen Cloud-Marktplatz aufbauen - oder aber das Portfolio ihres bestehenden Marktplatzes in kürzester Zeit massiv erweitern. Bechtle hat in diesem Jahr den eigenen Cloud-Marktplatz um die Möglichkeiten der CloudBlue Connect Plattform erweitert. Wie das funktioniert, schildern Boris Riemer (Bechtle Clouds) und Tom Schröder (CloudBlue).

Herr Riemer, Sie verantworten den Multi-Cloud-Marktplatz bei Bechtle. Über diesen Marktplatz stellt Bechtle ihren Kunden über 200 Cloud-Services inklusive Abrechnung zur Verfügung. Wie meistern Sie die damit verbundene Fülle an Integrationsthemen?

Boris Riemer, Cloud Marketplace & Portfolio, Bechtle Clouds
Boris Riemer, Cloud Marketplace & Portfolio, Bechtle Clouds
Foto: Bechtle

Boris Riemer: Wir haben große Erfahrung bei der Integration von Services auf unserer Plattform. Wir haben mit unserem Cloud-Marktplatz 2017 den Grundstein gelegt, diese Vielfalt zu bedienen und die daraus entstehende Komplexität für unsere Kunden zu vereinfachen.

Was war ausschlaggebend für die Zusammenarbeit mit CloudBlue?

Boris Riemer: Unsere Kunden haben einen sehr hohen Bedarf an Digitalisierung und Automatisierung, den wir mit intelligenten Konzepten unterstützen können. Der zusätzliche Einsatz von CloudBlue unterstützt unsere Plattform-Strategie. Denn durch Plattform-Connects lassen sich über eine einzige Schnittstelle eine große Anzahl von neuen Services mit mehr oder weniger nur einem Entwicklungsschritt anbinden und gleichzeitig die Abrechnung, Abwicklung und der Datenfluss all jener Services automatisieren.

Ohne Plattform-Connects müssen wir zahlreiche Schnittstellen selbst entwickeln - jeweils mindestens eine für jeden Hersteller, den wir onboarden wollen. Durch Plattform-Connects haben wir die Möglichkeit hinzugewonnen, unser Portfolio sehr einfach, jederzeit flexibel auf die Marktanforderungen angepasst und mit hoher Geschwindigkeit auszubauen. Zusätzlich erweitern wir die Services mit unseren Bechtle-eigenen Managed Services und bieten damit zusätzliche Mehrwerte für unsere Kunden.

Ein weiterer Effekt: Dies setzt viele Ressourcen frei, um uns weiterhin intensiv dem Auf- und Ausbau neuer Partnerschaften, der kontinuierlichen Weiterentwicklung unseres Portfolios sowie der Pflege unserer Kundenbeziehungen zu widmen.

Das heißt, die Nutzung von CloudBlue hat auch Ihre eigenen Business-Prozesse verändert?

Boris Riemer: In gewisser Weise schon. CloudBlue unterstützt uns bei der stetigen Optimierung unserer Business-Prozesse und schafft zusätzliche Mehrwerte. Wir können uns stärker darauf konzentrieren, weitere Services und Angebote zu entwickeln, unseren Cloud Marketplace permanent weiterzuentwickeln, immer auf die Marktanfordernisse angepasst up to date zu halten und Vermarktungsprozesse zu optimieren. Unsere Software-Entwicklungs-Ressourcen nutzen wir jetzt vor allem, um die Customer und User Experience unseres Marktplatzes weiter zu verbessern. Das danken uns vor allem unsere Kunden.

Tom Schröder, Head of DACH, CloudBlue
Tom Schröder, Head of DACH, CloudBlue
Foto: CloudBlue

Tom Schröder: Das ist der "Amazon-Effekt": Im Ökosystem sind unzählig viele Produkte und Anbieter integriert und Kunden können bei immer gleicher User Experience mit einem Klick bestellen und am nächsten Tag wird geliefert. In der Cloud sogar binnen Sekunden. Für dieses angenehme Kauferlebnis sind Kunden unter Umständen sogar bereit, mehr für ein Produkt zu bezahlen.

Wir haben die Beschaffungsprozesse und Vertragsverwaltung über den Marktplatz vollautomatisiert - Boris Riemer, Bechtle Clouds

Wo und wie kommen dann Bechtle-eigene Managed Services zum Zuge?

Boris Riemer: Ein strategisches Ziel ist es, unsere Managed Services auf unserem Cloud-Marktplatz anzubieten, die Kunden bei der Multi-Cloud-Nutzung unterstützen. Dazu zählen beispielsweise Managed-Google-, Managed-AWS- oder Managed-Azure-Services sowie automatisiertes, standardisiertes Microsoft 365 Tenant Management. Darüber hinaus beispielsweise auch auf Basis weiterer Partner wie europäischen Cloud-Providern.
Diese Managed Services ermöglichen es unseren Kunden, Cloud-Services unterschiedlicher Infrastrukturen sehr einfach zu konsumieren und zu kombinieren, auch ohne fachliche Expertise. Entwickelt und gesteuert werden diese Managed Services von unserer eigenen Bechtle Service Factory, einer Einheit innerhalb der Bechtle Managed Services.

Wenn beispielsweise ein Kunde seine Kubernetes-Plattform auf einer AWS-, IONOS- oder Azure-Infrastruktur betreibt und sich zwar mit Kubernetes sehr gut auskennt, aber nicht mit AWS oder Azure, dann stellen wir ihm dieses Infrastruktur-Know-how - über unsere Service Factory - als Managed Service auf unserer Plattform zur Verfügung.

Kann jeder Mitarbeitende eines Kunden, beispielsweise aus den Fachbereichen, über Ihre Plattform Dienste beziehen?

Boris Riemer: Ja, vollumfänglich. Wir legen für jedes Unternehmen einen Zugang für eine bestimmte Zahl an Admin-Usern an, die Zugriff auf das komplette Multi-Cloud-Portfolio erhalten und so die gewünschten Cloud-Services beziehen können. Selbstverständlich entscheidet jeder Kunde individuell für seine Unternehmung, welche und wie viele Mitarbeitende welche Berechtigungen erhalten.

Wie managen Sie die Bereitstellung, Abrechnung, das Reporting und die Vertragsverwaltung dieser Dienste?

Boris Riemer: Wir haben die Beschaffungsprozesse und Vertragsverwaltung über den Marktplatz vollautomatisiert und unsere Kunden erhalten eine Rechnung, welche kostenstellenbasiert abgerechnet werden kann. Darüber hinaus erhalten Kunden über unser Bechtle Dashboard eine vollständige Transparenz über alle genutzten Services.

Wie handhaben Sie die Kopplung von Public und Private Services?

Boris Riemer: Mit unserer strategischen Ausrichtung als Multi-Cloud-Provider sind wir in der Lage, diverse Szenarien im Bereich Private-, Public-, Multi- und Hybrid Cloud für unsere Kunden anzubieten. Zusätzlich haben wir unser Multi-Cloud-Angebot mit Managed Services und Professional Services veredelt, um weitere Entlastung für unsere Kunden zu schaffen.

Durch das Zusammenspiel aus diversen Spezialisten, Competence Centern und unserem eigenen digitalen Marktplatz stellen wir neben der Transparenz auch die Compliance und Security sicher.

Das Spiel wird am Frontend entschieden - Tom Schröder, CloudBlue

Was hat sich bei Bechtle Clouds verändert, seit Sie CloudBlue als "Enablement-Plattform" für Ihren Cloud-Marktplatz nutzen?

Foto: Foto Vogt

Boris Riemer: Unsere Partnerschaft ist noch sehr jung. Dennoch hat sich unser Onboarding für neue Partner bereits beschleunigt.
Zu den ersten positiven Effekten unserer Partnerschaft zählen also die schnellere Erweiterung unseres Portfolios sowie freigewordene Ressourcen für die Optimierung des Marketplace.

Tom Schröder: Das Spiel wird am Frontend entschieden. Die User Experience gibt den Ausschlag darüber, ob ein Kunde bei Bechtle oder andernorts einkauft. Die Ressourcen darauf zu konzentrieren, Kunden ein möglichst positives Einkaufserlebnis zu bereiten und sie so auf dem Marktplatz zu halten, ist stärker wettbewerbsdifferenzierend, als im Backend die Anzahl der Integrationen zu erhöhen und zu verwalten.

"Auf zusätzliche Beratungsleistungen wie die der IT-Solution-Architektur zum Beispiel legen wir einen sehr starken Fokus" - Boris Riemer, Bechtle Clouds

Inwiefern wird sich auch die Beratung für Cloud- und Managed-Service-Projekte verändern?

Boris Riemer: Die Dynamik im Markt ist höher denn je und Unternehmen stehen vor unterschiedlichsten Herausforderungen. Die Projekte werden deutlich agiler und komplexer aufgrund der vielen Möglichkeiten, die der Markt bietet.

Das erfordert in der Beratung viel mehr Expertise und Weitblick als noch vor einigen Jahren. Hier gilt es jedes einzelne Unternehmen genau zu betrachten und mit der bestmöglichen Strategie zu versorgen.

Auf zusätzliche Beratungsleistungen wie die der IT-Solution-Architektur zum Beispiel legen wir bei Bechtle auch einen sehr starken Fokus und besitzen eine breite Expertise. Wir beraten unsere Kunden bei ihren Digitalisierungsvorhaben, begleiten sie bei der Realisierung von agilen Projekten und verantworten den Aufbau und die Bereitstellung von Plattformen für die Entwicklung und den Betrieb von Software- sowie Datenlösungen auf Enterprise-Niveau nach DevSecOps. Dabei schöpfen wir die Möglichkeiten der Cloud voll aus.

Auch AWS, Google, Microsoft und andere Anbieter betreiben eigene Marktplätze mit einem sehr breiten Portfolio an Apps und Services. Lassen sich diese via CloudBlue ebenfalls einfach einbinden?

Tom Schröder: In einer Richtung geht das schon: Anbieter, ISVs oder MSPs z.B., können Services oder Applikationen auf diesen Marktplätzen publizieren. Umgekehrt gibt es noch technische und accountspezifische Schwierigkeiten. Aber daran arbeiten wir bereits, denn das Potenzial ist immens.

Welche Voraussetzungen muss ein MSP/CSP mitbringen, um die Stärken von CloudBlue in vollem Umfang nutzen zu können?

Tom Schröder: Die Erfahrung aus großen Projekten im vergangenen Jahr zeigt ganz klar: Entscheidend ist das strategische Committment der Geschäftsführung, den Aufbau eines neuen Channels zu unterstützen. Und dieser Channel muss in die bestehende Organisation integriert werden. Ist die Entscheidung zum Aufbau eines Marktplatzes getroffen, dann müssen auch die Vertriebsmitarbeitenden auf diesem Weg mitgenommen und in diese Plattformprozesse integriert werden. Wird der klassische Vertrieb parallel zum Self-Service-Modell Marktplatz unverändert beibehalten, dann kannibalisieren sich Vertrieb und Marktplatz.

Die erfolgreichsten Marktplätze sind allerdings eigenständige organisatorische Einheiten innerhalb der Gesamtorganisation - Beispiel Bechtle Clouds...

Tom Schröder: Es sind dedizierte Teams, die aber alle in die bestehenden Organisationen integriert sind. Der Vertrieb ist organisationsübergreifend integriert. Vertriebsmitarbeitende wurden geschult, den Marktplatz als Tool für ihre Vertriebstätigkeit zu nutzen, beispielsweise, um über diesen Marktplatz Subskriptionen oder Dienste für ihre Kunden zu ordern, anzupassen, zu provisionieren, zu verwalten und Rechnungen einzusehen.

Es ist ein Mythos, dass jeder Mitarbeitende eines Kundenunternehmens dazu berechtigt ist, einfach Dienste oder Lizenzen per Self-Service einzukaufen - auch wenn immer mehr Fachbereiche über eigene IT-Budgets verfügen. Allen Mythen und Legenden zum Trotz werden finale Entscheidungen über den Kauf von IT-Technologie immer noch in der IT gefällt und der Einkauf erteilt die Freigabe. Der Verkauf und Einkauf von Cloud-Diensten im B2B-Umfeld funktioniert eben noch nicht wie im B2C-Bereich - auch wenn die User Experience im B2B-Bereich ebenso relevant ist wie im B2C.
Nichtsdestotrotz können diese Elemente integriert werden: Die Freigabe der IT und des Einkaufs kann auch nach Auslösung einer Bestellung durch den Mitarbeiter geschehen. Diesen Wandel zur mehr selbstbestimmtem Technologieeinkauf begleiten und forcieren wir. Im ERP und Service Management Umfeld ist das ja nicht neu, mit XaaS geht das aber nicht so einfach über die bestehenden Prozesse.

Der Marktplatzbetreiber profitiert von einfacheren Prozessen, den damit verbundenen geringeren Transaktionskosten und einer konsolidierteren Kundeninformation.

Welche Services werden am häufigsten über die Marktplätze bezogen?

Tom Schröder: Primär Infrastruktur-Services, mit denen die Marktplätze aktuell etwa 80 Prozent ihres Umsatzes generieren. Gefolgt von Kollaborations- und Produktivitätslösungen, bei denen Microsoft-Produkte mit rund 50 Prozent den Löwenanteil ausmachen. Wir sind angetreten, um das zu ändern und das Feld deutlich breiter zu machen. Wir stehen erst am Anfang einer Plattformökonomie für XaaS-Produkte im B2B-Vertrieb, aber das Momentum ist stark und der Netzwerkeffekt wird für ein exponentielles Wachstum sorgen.

Foto: Foto Vogt

Wird der klassische Vertrieb parallel zum Self-Service-Modell Marktplatz unverändert beibehalten, dann kannibalisieren sich Vertrieb und Marktplatz - Tom Schröder, CloudBlue

Woran hapert es meist bei der Einführung von Marktplätzen?

Tom Schröder: Wenn Projekte in den Sand gesetzt werden, dann hat das meistens denselben Grund: Es wird versucht, bestehende Prozesse mit neuer Technologie zu verbessern, anstatt mit einer integrierten Marktplatzorganisation echte Veränderung zu schaffen.

Die Entscheidung für einen Marktplatz ist immer eine strategische Unternehmensentscheidung, mit der Bereitschaft, alle dafür notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, verbunden mit einem Change-Management, das auch die Veränderung der Business-Prozesse für Kauf und Abrechnung von Subskriptionen und Lizenzen umfasst: Go-to-Market, Preisfindung, Vertriebsunterstützung und Marketing müssen für diesen Marktplatz mitintegriert und orchestriert werden. Wenn der Vertrieb nicht integriert ist, agiert er gegen den Marktplatz. Daran sind sehr viele Marktplätze gescheitert.

Das Nutzungsverhalten entwickelt sich eindeutig in Richtung Multi-Cloud - Boris Riemer, Bechtle Clouds

Bechtle ist ein sehr großes Unternehmen - inwiefern lohnt es sich auch für kleinere oder mittelständische IT-Dienstleister, einen eigenen, digitalen Marktplatz aufzubauen?

Boris Riemer: Der IT-Markt unterliegt einem starken Digitalisierungsdruck und wir gehen davon aus, dass diese Entwicklung alle Marktbeteiligten betrifft.

Hierzulande hielten sich Kunden mit Multi-Cloud-Modellen noch zurück. Inwiefern beobachten Sie hier eine Veränderung?

Boris Riemer: Fast alle Kunden, die in der Vergangenheit nur einen Service über unseren Marktplatz bezogen haben, nutzen inzwischen mehrere Services von unterschiedlichen Anbietern. Wir erwarten, dass sich dieser Trend in den nächsten Monaten weiter verstärkt. Das Nutzungsverhalten entwickelt sich eindeutig in Richtung Multi-Cloud.

Public-Cloud-Anbieter agieren tendenziell proprietär. Das erschwert Kunden den einfachen Wechsel der Plattformen und Service-Providern das Verschieben von Workloads oder das Brokern von Cloud-native Stacks. Wie gehen Sie mit dieser Herausforderung um?

Boris Riemer: Mit unserer Expertise, vor allem im Managed-Service-Umfeld, sind wir in der Lage, den Kunden auf seiner Cloud-Journey zu beraten und zu begleiten. Wir unterstützen unsere Kunden bestmöglich, bei der Auswahl der geeigneten Services und beim Transfer seiner Workloads. Dazu gehört auch die Transformation hin zu Function-as-a-Service oder anderen Cloud-Modellen.

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