Jörg Karpinski, Huawei

„Videotelefonie lindert nur Symptome“



Frank Reisel, IT-Redakteur aus Köln, schreibt über Digitalisierung und Mobilität, dabei immer im Mittelpunkt: der Mensch.
Die Covid-19-Pandemie treibt die Digitalisierung in Deutschland voran. Fast die Hälfte der Angestellten arbeiten aus dem Home-Office, digitale Kollaborationstools und Videokonferenzen boomen. Digitalisierung muss jedoch ganzheitlich gedacht werden, wenn sie langfristigen Erfolg sichern soll, sagt Jörg Karpinski, Sales und Marketing Director Deutschland bei Huawei.
Jörg Karpinski, Sales und Marketing Director Deutschland bei Huawei: "Viele Unternehmen wren überhaupt nicht auf Remote-Arbeit eingestellt."
Jörg Karpinski, Sales und Marketing Director Deutschland bei Huawei: "Viele Unternehmen wren überhaupt nicht auf Remote-Arbeit eingestellt."
Foto: Foto Vogt

channelpartner.de: Herr Karpinski, die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben der Digitalisierung in Deutschland einen Schub gegeben. Wie bewerten Sie die Entwicklung der letzten Monate?

Jörg Karpinski, Sales und Marketing Director Deutschland bei Huawei: Zunächst einmal sehe ich es positiv, dass sich etwas bewegt, und dass plötzlich Entwicklungen möglich sind, die man noch vor einigen Monaten für unmöglich gehalten hätte. Die Flexibilisierung des Arbeitsplatzes ist ein Beispiel, die gestiegene Akzeptanz von Telemedizin ein weiteres. Auch ist zu spüren, dass viele Bedenken, die zuvor immer wieder vorgetragen worden sind, in den Hintergrund treten.

Bei genauerem Hinsehen konzentriert sich die Digitalisierung, von der wir momentan sprechen, sehr stark auf Telekommunikation und E-Shopping. Digitalisierung muss man jedoch ganzheitlich begreifen: als ein Haus, das ein solides Fundament braucht.

channelpartner.de: Was meinen Sie konkret damit?

Jörg Karpinski, Huawei: Nehmen wir das Beispiel der digitalen Kommunikation, ob über Teams oder andere Tools. Natürlich ist es erfreulich, dass die Umstellung aufs Home-Office in vielen Unternehmen gut funktioniert hat und dass sich die Mehrheit der Arbeitnehmer damit wohl fühlt.

Dabei muss man sich aber vor Augen führen, dass viele Unternehmen überhaupt nicht auf Remote-Arbeit eingestellt waren und anfangs schon erhebliche Schwierigkeiten hatten, die notwendige Konnektivität in Form von sicheren VPN-Verbindungen bereitzustellen. Die Leute arbeiten dann von zu Hause, im Normalfall über ungesicherte Leitungen. Videotelefonie lindert also nur Symptome, das architektonische Problem - die mangelnde Digitalisierung von Abläufen und Prozessen - bleibt grundsätzlich bestehen.

Insofern gibt es zwar einen Schub in der Digitalisierung, aber viele notwendige Entwicklungen bleiben auch jetzt aus. Deshalb brauchen wir über die aktuelle Situation hinaus ein Umdenken: weg von einzelnen digitalen Lösungen für singuläre Probleme hin zu einer übergreifenden Perspektive, die nicht technische, sondern vielmehr unternehmerische Fragen in den Mittelpunkt stellt: Was sind meine Ziele? Wachstum in einer internationalen Perspektive? Stabilität? Die Erschließung neuer Geschäftsmodelle und Kundengruppen? Anhand dieser Fragestellungen muss man eine digitale Architektur aufbauen, die diese Ziele unterstützt und zum Unternehmen passt.

channelpartner.de: Gerade dieses Denken in einer größeren Perspektive ist für kleinere und mittlere Unternehmen schwierig, weil sie die entstehenden Kosten und den notwendigen Aufwand scheuen. Ist vor diesem Hintergrund die Haltung, sich erst einmal auf die greifbaren Herausforderungen zu konzentrieren, nicht nachvollziehbar?

Karpinski, Huawei: Eine konsequente Digitalisierung ist natürlich zunächst mit Aufwand und Kosten verbunden, das sind keine trivialen Aufgaben. Aber gerade die Corona-Krise zeigt, dass man vorausschauend denken und handeln muss. Wer sein Unternehmen bereits umfänglich digitalisiert hat, kommt besser durch die Krise als jemand, der erst damit erst anfangen muss.

Wer bereits über digitalisierte Lieferketten, umfassende Second-Source-Strategien und ein Risikomanagement auf Basis von digitalen Lösungen und Datenanalyse verfügt, kann seine Lieferfähigkeit auch unter extremen Bedingungen aufrechterhalten. Weil er in der Lage ist, unterschiedlichste Szenarios durchzuspielen und schnell auf dynamische Entwicklungen zu reagieren.

Deshalb sollte die Frage, bei allem Verständnis für die Schwierigkeit, nicht lauten: Was kostet mich eine konsequente Digitalisierung meines Unternehmens und meiner Prozesse? Sondern eher: Was kostet es mich, wenn ich darauf verzichte? Wie zukunftsfähig wird mein Unternehmen dann sein? Die nächste Krise kommt bestimmt. Und auch wenn es nicht zwangsläufig ein Virus oder eine Pandemie sein muss, wird sie nicht vor Landesgrenzen haltmachen. Dafür ist die Wirtschaft zu stark global ausgerichtet.

channelpartner.de: Was würden Sie Unternehmen in diesem Sinne empfehlen?

Karpinski: Unternehmen dürfen nicht nur daran denken, wie sie kurzfristig sicher durch die Krise kommen, sondern wie sie langfristig Erfolg haben. Wer sich dauerhaft erfolgreich aufstellen will, darf nicht in kurzfristigen Effizienzgewinnen denken, die digitale Technologien bringen können. Sondern muss zukunftsfähige digitale Geschäftsmodelle aufbauen, mit denen er langfristig Erfolg haben kann, und diese auf die richtige technologische Basis stellen.

Dafür empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit einem IT-Partner, der ganzheitlich denkt und Technologien aus einer Hand anbietet: von IP-Lösungen über hochverfügbare Speicher bis zur KI. Das gilt übrigens nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Institutionen und die öffentliche Verwaltung. Auch hier richtet sich die Denkweise häufig eher auf einzelne Probleme, zum Beispiel beim Thema Smart Cities. Natürlich werden intelligente Lichtsteuerungen, Smart-Waste-Lösungen oder neue Parkplatzsysteme eingeführt, aber auch hier werden genau betrachtet nur Symptome bekämpft. Wirklich intelligent ist die Stadt dadurch nicht.

channelpartner.de: Wie arbeiten Unternehmen ganzheitlich mit IT-Partnern zusammen? Können Sie ein Beispiel beschreiben?

Karpinski: Viele unserer Partner kümmern sich um geschäftskritische Services von Unternehmen, beispielsweise um die Speicheranforderungen großer Datenbanken. Mit OceanStor Dorado bieten ihnen die IT-Partner schnelle, leistungsfähige All-Flash-Storage-Systeme an. Sie spielen ihre Stärken insbesondere in datenintensiven Anwendungsszenarien, skalierenden Umgebungen, dem Internet der Dinge oder Künstlicher Intelligenz (KI) aus.

Dabei verkürzen die Leistungsparameter von OceanStor Dorado die Latenz und erhöhen den Durchsatz von geschäftskritischen Transaktionen extrem. In Zahlen ausgedrückt: Es werden 21 Millionen Ein- und Ausgabevorgänge pro Sekunde (inputs/outputs per second: IOPS) und eine Latenz von 0,1 Millisekunden erreicht, trotz aktivierter Deduplizierung und Kompression. Neben Einsteigersystemen gibt es verschiedene Mission-Critical-Enterprise-Modelle.

Da alle Systeme über die gleiche Architektur und DNA verfügen, eignen sie sich für Unternehmen mit besonderen Anforderungen an die Hochverfügbarkeit (Transparent Failover) sowie das Datenmanagement und die Unterstützung multipler Protokolle beispielsweise in der Finanzbranche, Fertigung, öffentlichen Verwaltung oder im KRITIS-Umfeld.

channelpartner.de: Im Fokus steht also die digitale Infrastruktur, von Server und Speichersystemen über sichere und schnelle Netzwerke bis zum Glasfaser- sowie 5G-Ausbau?

Karpinski: Die digitale Infrastruktur ist enorm wichtig, aber sie allein löst noch keine Probleme. Nehmen Sie das Beispiel Homeschooling. Was nützt es, wenn Sie über einen Glasfaseranschluss verfügen, es aber keine geeignete umfassende Lernplattform gibt und Sie die Hausaufgaben Ihrer Kinder per E-Mail geschickt bekommen, sie ausdrucken, die ausgefüllten Aufgaben später einscannen und wieder per E-Mail zurückschicken müssen?

Und dieses Vorgehen gibt es ja nicht nur beim Homeschooling. Sondern auch in vielen Behörden und Betrieben, wo massenweise Dokumente gedruckt und gescannt werden müssen, weil es kein digitales Dokumentenmanagement gibt. Man sieht also, dass man die Digitalisierung nicht losgelöst in einzelnen Aspekten denken darf, sondern als eine Gesamtarchitektur, die alle Bereiche umfasst. Betriebe und Verwaltungen genauso wie den Bildungssektor oder die Forschung.

channelpartner.de: Zum Einstieg haben wir Sie gefragt, wie Sie die aktuelle Entwicklung in Deutschland beurteilen. Wie sehen Sie die Zukunft? Auch im internationalen Vergleich?

Karpinski: Natürlich sind andere Länder schneller in manchen Themen. Deutschland ist etwas zurückhaltender, weil man sich viele Gedanken macht über die möglichen Folgen von Technologien, zum Beispiel beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Diese Fragen muss man sich auch stellen und wir denken da in gewisser Weise ähnlich.

Auch bei uns spielen Risikoabwägungen und die Risikoabsicherung eine ganz wesentliche Rolle. Wir arbeiten seit langer Zeit mit umfassenden Second-Vendor-Strategien und betreiben ein sehr umfassendes Business-Continuity-Management. Das hat uns zum Beispiel ermöglicht, ohne Lieferausfälle durch die Corona-Krise zu kommen und auch andere Zwischenfälle in der Vergangenheit zu meistern - und dabei sogar dauerhaftes Wachstum im zweistelligen Prozentbereich zu realisieren.

Die Krise liefert eine Chance, sich auf seine Ziele und Stärken zu besinnen und sich neu auszurichten. In seiner Denkweise, in gezielten Investitionen in architektonische Ansätze der Digitalisierung, von der Infrastruktur bis zur KI - und vor allem in Investitionen in Ausbildung, Forschung und Entwicklung. International, ganz besonders in China, herrscht nach wie vor großer Respekt vor der Kreativität deutscher Ingenieure und Entwickler, auch im Bereich der Digitalisierung.

Wir investieren gerade in Deutschland in diesem Bereich und forschen zum Beispiel in unserem German Research Center (GRC) zu unterschiedlichsten Technologien, von 5G über High Performance Computing bis zum Autonomen Fahren und kooperieren mit verschiedenen deutschen Universitäten. Wenn es uns gelingt, in all diesen Bereichen weiterzukommen und sie ernsthaft anzugehen, wird Deutschland auch in der digitalen Transformation ein erfolgreicher Wirtschafts- und Technologiestandort bleiben.

channelpartner.de: Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Karpinski.

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