Olaf Kaiser auf dem Systemhauskongress CHANCEN

Wachstum ohne Superstars - das Ende der klassischen Vertriebsorganisation

Regina Böckle durchforstet den Markt nach Themen, die für Systemhäuser und Service Provider relevant sind - oder es werden könnten - und entwickelt dazu passende Event-Formate.
Wachstum ist für viele Systemhäuser alternativlos. Und damit auch neuer Umsatz und neue Kunden. Warum die bisherige Strategie "Verkaufs-Superstars" aufzubauen in die Sackgasse führt, und mit welchen Prozessen IT-Dienstleister wesentlich mehr erreichen, erläutert Olaf Kaiser auf dem Systemhauskongress CHANCEN. Einen ersten Einblick gibt er im Interview.

ChannelPartner: IT-Dienstleister kämpfen seit Jahren mit dem Luxusproblem einer extrem guten Auftragslage, für die sie dringend zusätzliche Mitarbeiter bräuchten, die sie nicht finden oder die schlicht zu teuer sind. Gleichzeitig herrscht am Markt hoher Wettbewerbsdruck - der Systemhausmarkt ist ein Verdrängungsmarkt. Wie passt das zusammen?

Olaf Kaiser: Meiner Erfahrung nach gibt es zwei unterschiedliche Szenarien. Die Verdrängung im Segment der KMU-Kunden, die prinzipiell treu sind, was zur guten Auftragslage beiträgt, geschieht im Zustand der Unzufriedenheit mit dem aktuellen Dienstleister.
Im Segment des gehobenen Mittelstands laufen echte Einkaufsprozesse ab und auch bei vorhandener Zufriedenheit kommen neue Themen auf und es wird nach dem optimalen Anbieter geschaut. Hier agiert ja auch vielfach eine Einkaufsabteilung. Und die Kunden haben eine Multi-Provider Strategie, arbeiten also schon jetzt mit mehreren Dienstleistern je nach Thema zusammen, was zu mehr Verdrängung führt.

ChannelPartner: Die Größe der Kunden spielt also auch eine Rolle. Wie agieren Ihrer Erfahrung nach Kunden mit fünf bis zehn Mitarbeitern?

Olaf Kaiser, Berater und Impulsgeber
Olaf Kaiser, Berater und Impulsgeber
Foto: Matthias Rüby

Olaf Kaiser: Vielfach spielt IT und deren Weiterentwicklung hier keine strategische Rolle. Neben den Themen Sicherheit und Office muss die Fachanwendung laufen, das ist das Wichtigste. Wer diesen Kunden als Systemhaus bedient, muss nicht permanent neue Technologien bewerten oder echte Prozesse managen, weder in Projekten noch im Betrieb.

ChannelPartner: Das traditionelle Projektgeschäft mit bestehenden Kunden, die an älteren IT-Architekturen und Betriebsmodellen festhalten, wird für IT-Dienstleister immer unrentabler. Der Schwenk zu den langfristig profitableren Managed- und Cloud-Modellen wird dann mit diesen Kunden nicht möglich sein. Was also tun? Einfach von den Kunden trennen?

Olaf Kaiser: Vertriebsstrategisch gilt es für jedes Segment im Bereich der Kundengrößen ein vetriebliches Modell und ein technisches Betreuungssystem zu finden, das mit den Ertragsmöglichkeiten korreliert. Es müssen ja nicht die gleichen Consultants zu den gleichen Preisen für alle Kundengrößen arbeiten und auch die Servicemodelle können diese Sicht berücksichtigen. Sich einfach zu trennen, halte ich ohne eine bewusste Evaluation der Betreuung unterschiedlicher Kundensegmente für ein Verlustgeschäft.

ChannelPartner: Und wie gehen mittelständische und größere Kunden vor, wenn sie nach neuen Lösungen suchen?

Olaf Kaiser: Meistens ist das Lösungsthema zuerst intern angerissen und gesetzt, auch wenn es noch neu ist und dann wird ein passender Anbieter gesucht. Und diese Suche wird bewusst gesteuert. Das reicht von Herstellernachfragen bis zu echtem Googeln, auch bei großen Mittelstandskunden. Der aktuelle Dienstleister in thematisch verwandten Gebieten wird sicher auch gefragt und erhält eine Chance. Doch beweisen muss auch er sich immer wieder neu.

ChannelPartner: Fazit ist also: Trotz der guten Auftragslage müssen Systemhäuser unbedingt neue Aufträge, neue Kunden gewinnen. Dafür braucht man doch gute Vertriebsmitarbeiter. Warum also plädieren Sie für das Ende der Vertriebs-Stars?

Olaf Kaiser: Für mich ist die Kernfrage, wie ein Systemhaus mit der aktuellen Vertriebsmannschaft wachsen kann. Natürlich kann man wachsen, indem man das Budget erhöht und einen Star einstellt, also jemanden, der in seiner Vita bei einem Wettbewerber oder größeren Player war. Nur ist es ein hohes Risiko, ob diese Person im eigenen Unternehmen funktioniert und es beantwortet eben nicht die Kernfrage, wie das eigene Vertriebsteam am erfolgreichsten arbeitet.
Der Schlüssel für Wachstum liegt in der Reduzierung der Abhängigkeit von einzelnen Personen und der Schaffung eines effektiven Vertriebssystems.

ChannelPartner: Sie sagen, dass die bisherigen Automatismen: teure Leute einstellen, hohe Ziele definieren, ein Provisionsmodell draufsetzen und das war's, bei weitem nicht ausreichen, um einen erfolgreichen Vertrieb zu entwickeln.Warum ist das für Systemhaus-Chefs ein so schmerzhafter Gedanke?

Olaf Kaiser: Weil man sich für ein gutes Vertriebssystem Veränderungen an Stellen vornehmen muss, die viele Mitarbeiter auch in angrenzenden Bereich betreffen und dies zu Unsicherheit und unbekannten Abläufen und Ergebnissen führt.

ChannelPartner: Wovon wird ein IT-Dienstleister profitieren, wenn er sich dazu entschließt, diesen steinigeren Weg einzuschlagen?

Olaf Kaiser: Es wird ein wirksames Vertriebssystem aufgebaut, das in der Lage ist, Veränderungen zu testen und damit grundsätzlich entwicklungsfähig wird. Dies ist gemeinsam mit einem realen, nachhaltigen Wachstum der größte Nutzen.

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