Führungskrise zum Jahreswechsel

Was ist bei Euronics los?



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
In den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr kam es bei Euronics zur Führungskrise: Die (Ex-)Vorstände Jochen Mauch Michael Rook schieden aus und auch der Aufsichtsratsvorsitzende Frank Schipper trat zurück. Was steckt hinter den als Grund angegebenen „unterschiedlichen strategischen Auffassungen“?

Der Hammer aus der Euronics-Zentrale in Ditzingen kam nur vier Tage vor Jahresende: "Jochen Mauch, Vorstand für Marketing, Vertrieb und Digitalisierung, hat sein Amt niedergelegt und wird zum 31.12.2023 aus dem Vorstand der Verbundgruppe abberufen. Jochen Mauch wird das Unternehmen gemeinsam mit Michael Rook, bis dato verantwortlich für Einkauf, Strategie und Expansion, verlassen, der bereits zum 17.11.2023 aus dem Vorstand ausgeschieden ist, jedoch weiterhin Teil des Ditzinger Führungsteams war", hieß es in einer Mitteilung. Grund für die Aufsichtsratsentscheidung seien unterschiedliche Auffassungen über die künftige strategische Ausrichtung des Unternehmens innerhalb des Vorstands gewesen. Doch damit war die Meldung zur Führungskrise bei Euronics noch nicht beendet: "Im Kontext der Veränderungen hat sich Frank Schipper, Vorsitzender des Aufsichtsrates, entschlossen, zum 31.12.2023 als Aufsichtsratsvorsitzender und Mitglied des Aufsichtsrats zurückzutreten", wurde weiter mitgeteilt.

Die ehemaligen Euronics-Vorstände Michael Rook und Jochen Mauch haben die Verbundgruppe zum Jahresende 2023 verlassen. Als Grund gibt Euronics „unterschiedlichen Auffassungen über die künftige strategische Ausrichtung des Unternehmens“ an.
Die ehemaligen Euronics-Vorstände Michael Rook und Jochen Mauch haben die Verbundgruppe zum Jahresende 2023 verlassen. Als Grund gibt Euronics „unterschiedlichen Auffassungen über die künftige strategische Ausrichtung des Unternehmens“ an.
Foto: Euronics

Den Aufsichtsratsvorsitz übernimmt bis zur konstituierenden Sitzung des Aufsichtsrates im Rahmen der KOOP 2024 der stellvertretende Vorsitzende Christoph Lux. Die vakante Position im Aufsichtsrat soll im Zuge der turnusmäßigen Aufsichtsratswahl ebenfalls im Februar 2024 nachbesetzt werden. Die Führung des operativen Geschäfts von Euronics übernehmen bis auf weiteres Benedict Kober, Sprecher des Vorstands und verantwortlich für Logistik und IT, und Denis-Benjamin Kmetec, bisher zuständig für Finanzen, Verwaltung und Personal, als zweiköpfiges Vorstandsteam. Die Verteilung der weiteren Ressorts soll in Kürze bekanntgeben werden. Über eine Berufung zusätzlicher Vorstandsmitglieder will der Aufsichtsrat mittelfristig entscheiden. Zu den Vorgängen erklärt Aufsichtsratschef Christoph Lux: "Wir sind davon überzeugt, mit der neuen Konstellation einen wichtigen Strategiewechsel einzuleiten, der der aktuellen Marktentwicklung Rechnung trägt, und die Euronics mit einer klaren Linie in eine erfolgreiche Zukunft führt. Die Vorstände Benedict Kober und Denis-Benjamin Kmetec genießen unser uneingeschränktes Vertrauen. Gleichzeitig bedanken wir uns bei Jochen Mauch und Michael Rook ebenso wie bei Frank Schipper für ihren wertvollen Beitrag zur Entwicklung der Euronics."

Geht es um einen vergangenen Korruptionsfall?

Die knappe Mitteilung der Euronics-Zentrale verschweigt sowohl die Hintergründe der Rücktritte wie auch den Inhalt der strategischen Meinungsverschiedenheiten. Doch es gibt einige naheliegende Erklärungsansätze. Das betrifft zum einen die Person Michael Rook. Der ehemalige Deutschland-Chef von MediaMarktSaturn wurde 2012 wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, beteuerte aber stets seine Unschuld. Trotzdem sorgte seine Berufung in den Euronics-Vorstand mit Verantwortlichkeit für Strategie, Expansion und Einkauf Anfang 2022 an mancher Stelle für Irritationen, unter anderem bei einer Behörde, die für das Handelsgeschäft von Euronics erhebliche Bedeutung besitzt. Aus diesem Grund wurde Rook Mitte November aus dem Vorstand abberufen, setzte seine operative Arbeit aber weiterhin fort. Zu den Befürwortern dieser Lösung zählte auch der jetzt zurückgetretene Aufsichtsratschef Frank Schipper. "Wir im Aufsichtsrat bedauern es sehr, dass wir uns dazu gezwungen sahen, Michael Rook als Vorstand abzuberufen", erklärte Schipper damals. Die behördliche Vorgabe sei überraschend gekommen und die Entscheidung habe ganz und gar nichts mit dem operativen Geschäft oder der Leistung von Michael Rook als Vorstand zu tun. "Ganz im Gegenteil: Michael Rook leistet einen sehr wichtigen Beitrag für Euronics. Deswegen wird er auch seine Arbeit für uns fortsetzen. Aber eben nicht als Vorstand. Wir arbeiten daran, die Situation für alle Beteiligten zufriedenstellend zu lösen", so Frank Schipper am 23. November 2023.

Dass der ehemalige Aufsichtsratschef nun zusammen mit Rook zurücktrat, könnte den Schluss nahelegen, dass sich die Irritationen rund um den früheren MediaMarktSaturn-Deutschland-Chef doch nicht so einfach lösen ließen und in der Verbundgruppe Missmut über das Festhalten an dem Manager laut wurde.

Oder war der Digitalisierungskurs zu ambitioniert?

Bleibt man allerdings näher am Wortlaut der Euronics-Erklärung bezüglich der "unterschiedlichen Auffassungen über die künftige strategische Ausrichtung des Unternehmens", so tritt die Person von Jochen Mauch stärker in den Vordergrund. Als Vorstand mit Verantwortung für Marketing, Vertrieb und Digitalisierung ist Mauch eng mit einer Reihe von Initiativen verbunden, die Euronics in den letzten Jahren geprägt haben. Noch als Marketingchef war Mauch federführend bei der Einführung des 2015 gestarteten Multichannel-Konzepts von Euronics und des dafür zentralen internen Online-Marktplatzmodells. Auch die 2023 gestartete Kundenbindungs-App der Verbundgruppe ist eine Initiative des Managers. Und mit Innovationen wie dem City-Store-Konzept Njuju, das vorsieht, Kunden mittels Blockchain-Technologie zu Kleinst-Miteigentümern zu machen, profilierte sich Mauch sogar über das Verbundgruppen-Milieu hinaus als Vordenker. Euronics solle zum Händler der Wahl für die Lebenswelt jüngerer Menschen werden, so erklärte der Digitalvorstand seine Motivation im Gespräch mit ChannelPartner, denn "vor allem für Angehörige der Generationen Y und Z geht es beim Konsum immer stärker um soziale Mehrwerte und Nachhaltigkeit."

Waren solche Ansichten für die mittelständische schwäbische Verbundgruppe zu progressiv? Immerhin zeigen die Wettbewerber Expert und ElectronicPartner ja, dass viele Verbundgruppenhändler kein Problem damit haben, sich ganz klar als Anlaufstelle für Online-Verweigerer und ältere Kunden zu positionieren. (Das für das Marktgewicht nicht unerhebliche Online-Geschäft überlässt man in diesen Fall vor allem einzelnen Mitglieder mit entsprechender E-Commerce-Expertise.) Es ist möglich, dass sich auch Euronics künftig wieder stärker in diese Richtung bewegen wird. Für die Zukunftsfähigkeit der Verbundgruppe wäre es allerdings schade, denn auch wenn der Gegenwind für viele progressive Ideen gerade stark ist, werden Makrotrend wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit nicht mehr verschwinden - auch nicht im Handel. Jochen Mauch selbst scheint jedenfalls nicht an einen Strategiewechsel zu denken: Bei LinkedIn präsentiert er sich weiterhin als "Enthusiast, Retail, Sales, E-Business, Marketing, Service" und gibt bekannt, künftig als Geschäftsführer des Beratungsunternehmens "Mauch, Kirschner, Lelewel - Consulting" zu amtieren.

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