Problemlöser für die Fachabteilungen

Wie IT-Dienstleister mit Schatten-IT umgehen sollten

Daniela Reichart ist Wirtschaftsjournalistin aus dem Kreis Göppingen nahe Stuttgart. Sie schreibt für unterschiedliche Fachmagazine mit technischem und wirtschaftlichem Schwerpunkt.
Wenn Anfragen und Bestellungen nicht mehr aus der Einkaufsabteilung Ihres Kunden eintreffen, sondern aus der Fachabteilung, sollten Sie als Dienstleister unbedingt hellhörig werden.

Für Systemhäuser könnte es aus zwei Gründen problematisch werden, wenn Fachabteilungen des Kunden in Eigenregie die benötigten IT-Produkte und -Dienste beziehen. Denn zum einen sind IT-Beschaffungsmaßnahmen der Fachabteilung (so genanntes "Maverick Buying"), bei den meisten Unternehmen nicht gerne gesehen. Nicht zuletzt, weil die Beschaffung häufig an der IT-Abteilung vorbei erfolgt, und damit zur Entstehung einer "Schatten-IT" führen kann.

Problematisch kann es aber auch werden, wenn die IT-Mitarbeiter an der Einkaufsabteilung vorbei ITK-Dienste und -Produkte beim Systemhaus beziehen. Denn durch das Umgehen des zentralen Einkaufs werden häufig Rahmenverträge missachtet oder Bestellmengen unterschritten. Das kostet den Kunden bares Geld, und dem Techniker droht die Abmahnung. Deshalb ist am besten vorher zu klären, wie Zulieferer mit solchen Bestellungen umgehen sollten.

Die schnelle Verfügbarkeit der Public-Cloud-Angebote verleitet Fachabteilungen, an IT- und Einkaufsabteilung vorbei, IT-Dienste einfach selbst zu beziehen.
Die schnelle Verfügbarkeit der Public-Cloud-Angebote verleitet Fachabteilungen, an IT- und Einkaufsabteilung vorbei, IT-Dienste einfach selbst zu beziehen.
Foto: ra2 studio, Fotolia.com

Querelen zwischen IT-Abteilung und Einkauf

In vielen IT-Unternehmen kommt der Einkauf gar nicht dazu, die besten Preise und Bedingungen auszuhandeln. Dabei belegen erfolgreiche Wirtschaftsunternehmen, dass Rahmenverträge und professionelle Preisverhandlungen ein Faktor für ihren Erfolg sind. In bis zu 60 Prozent der Fälle wird in der IT hinter dem Rücken der Abteilung Einkauf beschafft. Das kostet die Branche bares Geld.

"In der IT hat der Einkauf einen geringen Stellenwert. Die machen zwar einen guten Job, aber ein schlechtes Marketing", sagt Verhandlungstrainer Stefan Kaiser von der Frieder Gamm Group, die Mittelständler und Konzerne in Sachen Verhandlungstraining schult und begleitet. Immer wieder werde der Einkäufer von der Technik als Störenfried wahrgenommen. Deshalb bestellen IT-ler kurzerhand selbst.

Wer solche Bestellungen aus der Technikabteilung auf den Tisch bekommt, sollte unbedingt hinterfragen, ob derjenige überhaupt befugt ist zu ordern. Denn wer interne Regeln missachtet, muss mit Konsequenzen wie Zurechtweisungen, Abmahnungen oder möglicherweise mit der Kündigung rechnen. Stefan Kaiser kennt die IT-Branche aus zwölf Jahren im Einkauf der Telekomtochter T-Systems. Er stellt fest, dass Technikabteilungen mitunter kreative Möglichkeiten finden, bestimmte Teile zu besorgen, ohne die Kollegen von der Beschaffung zu involvieren. Dabei ist in den meisten größeren Unternehmen vorgegeben, dass Bestellungen nur über das jeweilige ERP System erfolgen dürfen.

"Wir haben hier ein klassisches Kommunikationsproblem", analysiert Kaiser. Während der Techniker ein bestimmtes Teil bevorzugt, das seine spezifischen Anforderungen erfüllt, ist der Einkauf oft an Rahmenverträge oder Preisvorgaben gebunden. Dem Entwickler ist es zu umständlich die vielen Fragen des Beschaffers zu beantworten. Denn dieser hat meist wenig Ahnung von der Materie und noch weniger Lust sich in technische Details einzuarbeiten. Auch dem Dienstleister ist es oft lieber, mit dem Profi zu sprechen, als sich mit dem Einkäufer um den Preis zu feilschen.

Kundenschutz im eigenen Interesse

Wichtig ist aber, dass der Zulieferer seinen Kunden auf mögliche Konsequenzen seines Handelns hinweist. Denn Experten wie Stefan Kaiser bestätigen, dass immer mehr Firmen bei Schatten-IT härter durchgreifen. Was herauskommt, verschlechtert nicht nur das Verhältnis zwischen Technik und Einkauf. Auch die Zusammenarbeit mit dem Dienstleistungspartner kann beschädigt werden. Wichtig sei es also, da sind sich die Experten sicher, dass alle Parteien mit einander reden. Für den IT-Dienstleister ergibt sich dann ein weiterer Vorteil: Er kann sich als Partner mit Umsicht und Branchenwissen als Berater positionieren und damit die Kundenbindung verbessern. Jeder Besteller wünscht sich einen Dienstleister, der mitdenkt.

"Es profitieren doch alle Seiten davon, wenn sie mit einander reden", sagt IT-Berater Kaiser. Der Techniker könnte bei einer regulären Bestellung alle Formalien dem Einkäufer überlassen. "Da gibt es einiges zu beachten: Von der Bestellmenge über die Lieferbedingungen bis zur Gewährleistung", weiß Kaiser. Damit hilft er auch dem Dienstleister, der eine formal korrekte Bestellung bekommt.

Und nur, wer den Bedarf seines Kunden kennt, kann sich richtig auf ein Verhandlungsgespräch vorbereiten. Den besseren Überblick und die Kompetenz für Preisverhandlungen hat meist der Einkäufer und nicht der Techniker. "Ein Informationsvorsprung kann entscheidend sein", sagt Verhandlungsexperte Kaiser. Wer alle Informationen über den Kunden, den Markt, die Person vorliegen hat, kann sein Gegenüber mit den richtigen Argumenten überzeugen und muss keine großen Rabatte geben.

Die Macht der Fachabteilungen wächst

Zum anderen sollten beim IT-Dienstleister auch deshalb die Alarmglocken schrillen, weil die Fachabteilungen sich längst mit weiteren IT-Services aus der Public Cloud eindecken könnten - möglicherweise ohne Wissen der IT-Abteilung - und des IT-Dienstleisters. Als besonders aktiv gelten hier die Marketing- und Vertriebsteams. Denn für Kundenaktionen brauchen sie oft sehr schnell zusätzliche IT-Ressourcen. Der Weg über die IT-Abteilung und den Einkauf über die Bestellabwicklung bis zur Lieferung der dringend benötigten Ausstattung dauert meist lange. Zu lange. Die Beschaffung in Eigenregie - gerne auch aus der Cloud - ist in ihren Augen deshalb eine Notwehrmaßnahme gegen die zeitfressenden offiziellen Einkaufsprozesse.
Viele Unternehmen haben dieses Problem erkannt und übertragen Befugnisse zur IT-Beschaffung an die Fachabteilungen - mit fest umrissenen Grenzen und mit Hilfe von Self-Service-Portalen, die die Kontrolle durch die IT-Abteilung gewährleistet. Dem Marktforschungsinstitut Gartner zufolge werden bereits 2017 die Vertriebs- und Marketing-Verantwortlichen in den Unternehmen mehr Geld für IT-Systeme ausgeben als die CIOs.

IT-Dienstleister sollten sich deshalb einen direkten Draht zu den Fachabteilungen verschaffen. Nur so lässt sich auf lange Sicht hin das Risiko vermeiden, dass Fachabteilungen vor allem Cloud-basierte Dienste komplett am Dienstleister vorbei beziehen. (rb)

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