Modewelle oder Tsunami

Wie stark ist der Online-Trend im Elektronikhandel?



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Während einige die Umsatzentwicklung von Notebooksbilliger & Co. auf Versandhandels-Niveau kleinreden, sprechen andere bereits von einem Online-Tsunami. Wie stark ist der E-Commerce-Trend wirklich? Wir haben die wichtigsten Fakten zusammengetragen.
Die Zahlen des bvh zeigen es: Die Online-Händler nehmen eine immer größere Rolle ein und treiben den CE-Versandhandel auf neue Höhen
Die Zahlen des bvh zeigen es: Die Online-Händler nehmen eine immer größere Rolle ein und treiben den CE-Versandhandel auf neue Höhen

Um die Bedeutung des gegenwärtigen Wandels im Einzelhandel zu beschreiben, griff Alexander Margaritoff, Chef von Deutschlands größtem Weinhändler Hawesko, am Jahresanfang in einem Interview mit der Welt am Sonntag zu einem drastischen Bild: „Das ist kein Online-Boom, das ist ein Tsunami, der derzeit über die Handelswelt hinwegfegt und nahezu alles verändert.“ Bemerkenswert ist diese Aussage nicht nur, weil Sie vom Geschäftsführer eines Unternehmens kommt, der für seine Experimentierfreude in Sachen E-Commerce bekannt ist, sondern auch weil sie aus einer Branche stammt, in welcher der Online-Umsatzanteil noch deutlich unter zehn Prozent liegt.

Deutlich höher ist der Online-Anteil dagegen in der Unterhaltungselektronik-Branche. Dennoch wollen die Chefs der großen CE-Verbundgruppen nichts von einem großen E-Commerce-Umbruch wissen. „Im TV-Bereich beispielsweise liegt der Online-Anteil heute branchenweit bei rund 12 Prozent“, erklärte dazu am Rande des diesjährigen Euronics-Kongress Verbundgruppen-Chef Benedict Kober: „Zu den Glanzzeiten von Quelle, Neckermann und Co. war der Versandhandelsanteil wahrscheinlich sogar etwas höher.“ Die Taktik, den Online-Handel auf das Niveau der Versandhandelsumsätze kleinzureden, verfolgt auch Volker Müller, Vorstandschef der Kooperation Expert – und greift dabei zu noch eindrücklicheren Zahlen: „Das Versandhandelsgeschäft hatte immer einen Umsatzanteil von 25 Prozent. Diesen Anteil muss die Internetbranche nach dem Wegbrechen der Katalogversender erst einmal erreichen.“

Die Zahlen sprechen eine andere Sprache

Schreitet man zum Fakten-Check, zeigt sich, dass die Verbundgruppen-Chefs nur bedingt Recht haben. Je nach Rechenweise lag der Versandhandelsanteil im Unterhaltungselektronikbereich in den 90er Jahren tatsächlich bei zwischen 15 und 20 Prozent und hat sich dieser Wert nach einem Einbruch gegen Mitte der 2000er Jahre inzwischen wieder auf das „Normalniveau“ bewegt. Doch lassen sich in den letzten Jahren auch zwei Phänomene beobachten, die alles andere als „normal“ sind: Zum einen weist der Versandhandelsverband bvh in seiner jährlichen Marktstudie einen markanten Anstieg der E-Commerce-Umsätze im CE-Bereich aus. Das Online-Wachstum hat sich in den letzten Jahren von 11 Prozent (2010) über 17 Prozent (2011) auf ganze 24 Prozent (2012) erhöht. Inzwischen ist der Online-Handel für fast 90 Prozent der Versandhandelsumsätze mit Unterhaltungselektronik verantwortlich.

Dabei tritt der Online-Handel nicht nur an die Stelle antiquierter Versandhandelsmodelle, sondern beschert dieser der Versandbranche insgesamt einen kräftigen zusätzlichen Wachstumsschub: Dank der starken Online-Zuwächsen kletterte der Versandhandelsanteil am Gesamtvolumen der CE-Branche von 18 Prozent (2010) über 21 Prozent (2011) auf den 2012 erzielten Rekordwert von 24 Prozent. Betrachtet man, wie dynamisch sich auch in der ersten Hälfte des laufenden Jahres das E-Commerce-Segment entwickelt, wird unübersehbar, dass im Unterhaltungselektronikbereich eine deutliche Umsatzverschiebung in Richtung Online im Gange ist.

Zur Startseite