ERP und Mittelstand: Chancen des Fachhandels

13.10.2006

Kirbis: Wir reden gerade über das Einstiegssegment. Das werden Sie, Herr Henrich, mit Ihren Microsoft-Lösungen auch nicht adressieren - die Ein- oder Zwei-User-Installationen. Das ist ein Teil vom Kerngeschäft bei Sage, nicht von uns. Ihrem Fokus auf Regionalität bei kleinen Kunden kann ich nicht beipflichten. Auch ein kleiner Industriebetrieb mit zehn Usern und 30 Mitarbeitern möchte seine Prozesse genauso gut berücksichtigt wissen wie ein größeres Unternehmen. Da ist ein lokal benachbarter Partner meiner Ansicht nach nicht so ausschlaggebend. Ich sehe eher den Kompetenzfaktor.

Henrich: Ich glaube schon, dass dies so ist. Wenn Sie einen Hamburger Kunden mit zehn Usern von München aus bedienen wollen, dann wird Branchenkompetenz in den Hintergrund treten angesichts der am Projektvolumen gemessen hohen Reisekosten. Für einen größeren SAP-Kunden ist es hingegen völlig egal, woher der Berater kommt.

Leibrandt: Sie haben Recht, Herr Henrich, das mit der Bauchladenmentalität und dem Nebenbei-Geschäft ist vorüber. Die Anforderungen an den Mittelstand heute sind klar: Kostenorientiert, mehrwertbringend, zukunftssicher sollen die neuen Lösungen sein. Der Kieler Partner eines mittelständischen Kunden aus München wird die Ausnahme bleiben. Der Mittelständler guckt supergenau auf die Kosten und sucht sich nach Möglichkeit einen Partner aus seiner Region. Und wenn er die gewünschte Kompetenz dort nicht findet, dann wird er zuerst die unmittelbare Nachbarschaft absuchen.

Wir decken mittlerweile 120 Branchen ab - durch unsere Partner. Deren vertikales Knowhow ist unser größter Hebel dort und mit Sicherheit einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren.

Der Kunde betrachtet ferner nicht nur die reinen ERP-Implementierungskosten, sondern denkt auch darüber nach, wie er seine anderen Systeme integrieren kann, etwa die Bürokommunikation. Dann muss er einen Partner finden, der sich auch dort auskennt und in der Lage ist, so ein System vernünftig zu betreuen. Daraus wird schnell ein Komplettpaket. Und dann sind wir an dem Punkt, wo es um Partnerdichte, Branchenkompetenz und langfristige Betreuung geht. Das fordern Kunden heute mit Recht ein, egal ob sie zwei oder 200 Arbeitsplätze installiert haben wollen.

Herr Schelkle ist da wohl einer anderen Meinung ...

Schelkle: Wir betreuen einen Hamburger Kunden mit zehn Usern von Weilheim aus. Bei Branchenlösungen ist der Kunde sehr wohl bereit, einen weit entfernten Partner zu beauftragen. Die von uns entwickelte Branchenlösung für den Kopierer- und Dienstleistungsbereich ist über ganz Deutschland verstreut. Denn was nützt dem Kunden ein Partner in seiner Nähe, wenn er nicht seine Sprache spricht? Dann ist der Kunde sehr wohl bereit, die höheren Anfahrtskosten in Kauf zu nehmen. Da wir auch regional tätig sind, bedienen wir sowohl die Ein-Mann-Firma als auch das Unternehmen mit 100 Usern. Da agieren wir als Systemhaus - was immer man auch darunter versteht.

Dewald: Die Problematik mit Kundennähe und Spezialisierung existiert, das gibt es nicht nur Schwarz oder Weiß. In dem schönen Beispiel von Herrn Schelkle liegt schon die Herausforderung, mit meinem vertikalen Know-how einen Kunden in Flensburg von Freiburg aus zu bedienen. Auch bei 120 Branchenlösungen und den vielen Partnern - Microsoft hat das Problem auch. Da kann man zwar mit dem Mehrwert argumentieren, so wie das Herr Schelkle macht. Aber wenn der Kunde nicht darauf eingeht, wird es schwierig. Dann sind wir beim Thema "Partnerschaften zwischen Handelspartnern". Natürlich brauche ich dafür eine bestimmte Menge an Fachhändlern. Diese können sich dann spezialisieren und müssen nicht alles querbeet im ganzen Land machen. Deswegen sind Kooperationen zwischen qualifizierten, autorisierten und entsprechend gesiebten Partnern wichtig.

Das ist nicht nur eine Frage von Know-how, sondern auch von Vertrauen. Wie steuert man einen derartigen Händlerverbund? Das ist nicht Aufgabe des Herstellers, ihm kommt lediglich die Vermittlerrolle zu. Manch einem seiner Partner muss dieser dennoch raten, dass er vielleicht nicht alles selbst macht und sich stattdessen einen anderen Partner sucht, der für ihn auch mal kleine und größere Sachen vor Ort erledigt. Da gibt es bei uns viele Beispiele, die sich sehr gut entwickelt haben.

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