Vertriebsbeschränkungen im Online-Handel

EuGH setzt Grenzen für Marktplatz- und Plattformverbote



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Seit Jahren beklagten sich Online-Händler und Marktplatzbetreiber über Vertriebsverbote bekannter Hersteller. Jetzt hat der Europäische Gerichtshof solchen selektiven Vertriebspraktiken klare Grenzen gesetzt.
Auch eBay-Händler leiden unter Vertriebsbeschränkungen. 2009 hatte der Online-Marktplatz deshalb eine Petition initiiert.
Auch eBay-Händler leiden unter Vertriebsbeschränkungen. 2009 hatte der Online-Marktplatz deshalb eine Petition initiiert.
Foto: eBay

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat eine Grundsatzentscheidung zur Zulässigkeit sogenannter selektiver Vertriebsmodelle gefällt. Das höchste Europäische Gericht hat klargestellt, dass pauschale Beschränkungen, Waren auch über Marktplätze und Plattformen vertreiben zu dürfen, gegen geltendes Recht verstoßen. Zugleich hat der EuGH aufgezeigt, in welchen Fällen ein berechtigtes Interesse von Herstellern und Händlern an einem qualitativ hochwertigen Vertrieb und damit an vertriebswegspezifischen Beschränkungen weiterhin ihre Berechtigung behalten.

Pauschale Plattformverbote sind demnach unzulässig - Ausnahmen bedürfen einer nachprüfbaren Rechtfertigung. In seinem Urteil macht der Europäische Gerichtshof Schluss mit pauschalen Verboten, Waren auch auf Marktplätzen und Plattformen vertreiben zu können.

Nach Ansicht des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel (bevh) räume der EuGH damit "ein für alle Mal auf mit dem Generalverdacht, Marktplätze und Plattformen seien Vertriebswege zweiter Klasse". Zugleich erkenne das höchste Europäische Gericht die Möglichkeit von Selektivvertriebsmodellen in bestimmten Fällen an und stärkt mit dieser ausgewogenen Haltung den Markt insgesamt.

Soweit objektive Kriterien auf der Hand lägen, behielten hierauf gerichtete Vertriebsbedingungen weiter ihre Berechtigung: "Wenn nach objektiven Maßstäben erstellte echte Qualitätsanforderungen durch einzelne Vertriebskanäle - stationär wie online - nicht erfüllt werden, kann der Selektivvertrieb auch in Zukunft zum Schutz von Hersteller, Fachhandel und Verbraucher eingeschränkt werden.Und das ist gut so" stellt bevh-Präsident Gero Furchheim.

"Nach dem heutigen Urteil haben es die unterschiedlichen Vertriebsstufen nun mehr denn je selbst in der Hand, über eine qualitativ hochwertige, den Produkten angemessene Präsentation, Vertriebsbeschränkungen überflüssig zu machen".

Vertriebsbeschränkungen wurden lange beklagt

Marktplätze und Plattformen gehören heute, sowohl im Online-Handel zwischen Händlern und Verbrauchern, als auch zwischen Händlern und Firmenkunden, zum Alltag. "Als Infrastruktur sind sie Digitalisierungsbegleiter und ermöglichen gerade auch dem kleinen und mittelständischen Handel den schnellen Einstieg und hohe Skalierungseffekte" erläutert Christoph Wenk-Fischer, Hauptgeschäftsführer des bevh. "Mit seinem heutigen Urteil unterstreicht der EuGH einmal mehr diese Bedeutung, ohne dabei berechtigte Belange von Marken und Fachhandel aus den Augen zu verlieren."

Schon seit längerem kämpften der bevh, aber auch andere Handelsverbände wie der Bundesverband Onlinehandel (BVOH) gegen willkürliche Vertriebsbeschränkungen gegen Online-Händler, die vor allem kleine und mittlere Marktteilnehmer überdurchschnittlich oft treffen. Auch der Online-Marktplatz eBay zieht seit einiger Zeit gegen selektive Herstellerpraktiken zu Felde und wandte sich bereits 2009 mit einer Unterschriftenaktion an die europäische Öffentlichkeit. Ihnen allen dürfte die Entscheidung des EuGH Grund zu Optimismus sein. (rw)

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