Hersteller, ISVs und Systemintegratoren

Low-Code-Anbieter und der Channel

Ronald Wiltscheck widmet sich bei ChannelPartner schwerpunktmäßig den Themen Software, KI, Security und IoT. Außerdem treibt er das Event-Geschäft bei IDG voran. Er hat Physik an der Technischen Universität München studiert und am Max-Planck-Institut für Biochemie promoviert. Im Internet ist er bereits seit 1989 unterwegs.
Peter Marwan lotet kontinuierlich aus, welche Chancen neue Technologien in den Bereichen IT-Security, Cloud, Netzwerk und Rechenzentren dem ITK-Channel bieten. Themen rund um Einhaltung von Richtlinien und Gesetzen bei der Nutzung der neuen Angebote durch Reseller oder Kunden greift er ebenfalls gerne auf. Da durch die Entwicklung der vergangenen Jahre lukrative Nischen für europäische Anbieter entstanden sind, die im IT-Channel noch wenig bekannt sind, gilt ihnen ein besonderes Augenmerk.
Das sogenannte Hard Coding, also das mehr oder weniger manuelle Erstellen des Quellcodes, scheint passé zu sein.

"Low-Code"- beziehungsweise "No-Code"-Plattformen sollen es auch Hobby-Programmierern ermöglichen, schnell und einfach komplexe Software zu entwickeln.

Anfang 2021 hielt msg-Chef Stephan Frohnhoff „Low- Code“ noch für einen Hype, doch ein halbes Jahr später haben die Marktforscher von Gartner eine Übersicht über die weltweit wichtigsten zwölf Low-Code-Plattform-Anbieter veröffentlicht. Die gute Nachricht: Die fünf im oberen rechten Quadranten aufgeführten Marktführer arbeiten alle mit dem Channel zusammen.

ServiceNow

ServiceNow beispielsweise verfügt mittlerweile über ein ansehnliches Partner-Ökosystem. Mit den international aufgestellten Beratungshäusern wie Accenture, Deloitte, DXC Technology, EY und KPMG arbeitet ServiceNow bereits seit längerem zusammen, in den letzten fünf Jahren hat der Softwarehersteller aber auch geschäftliche Beziehungen zu den großen deutschen Systemhäusern Bechtle, Computacenter, Cancom, SoftwareOne und T-Systems aufgebaut.

Besonders eng gestaltet sich die Kooperation mit Bechtle. Deutschlands größtes Systemhaus vertreibt bereits seit 2017 die Software von ServiceNow. Anfang 2020 wurde die Zusammenarbeit nochmals stark intensiviert. Insbesondere die Bechtle-Töchter Onsite Services und Hansevision befassen sich nun intensiver mit den Technologien des Softwareherstellers. Über 40 zusätzliche Spezialisten, Consultants und Trainer hat das Systemhaus in den Bereichen Consulting, Support und Training neu ausgebildet und damit für einen Kompetenzzuwachs in Sachen Beratung, Implementierung und Support von digitalen Workflow-Lösungen gesorgt.

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Systemhäuser wie Bechtle oder Computacenter gelten für ServiceNow als Reselling- und Implementierungspartner, wie Deutschland-Chef Detlef Krause im Interview mit ChannelPartner betonte. Die Kooperation mit T-Systems ist dahingehend ebenfalls schon recht weit fortgeschritten. Die Zusammenarbeit mit SoftwareOne ist für ServiceNow zwar noch ziemlich frisch, doch Krause verspricht sich von ihr große Skaleneffekte, da der Schweizer Reseller weltweit agiert.

Mit Cancom und Computacenter möchte ServiceNow bestimmte vertikale Märkte im gehobenen deutschen Mittelstand (ab 10.000 Mitarbeitende) angehen, dort sei man noch nicht so präsent, wie man sich das vorstelle, sagte Detlef Krause zu ChannelPartner

Salesforce

Vor gut zwei Jahren hat Salesforce ein neues Partnerprogramm für ISVs, Beratungshäuser und Agenturen ins Leben gerufen. Ziel dieser Initiative ist es, all diesen Partnern die Zusammenarbeit mit dem Hersteller so einfach wie möglich zu machen.

Bei der Einordnung der Partner auf die unterschiedlichen Stufen steht bei Salesforce die Kundenzufriedenheit im Fokus. Aus diesem Grund hat der Softwarehersteller den sogenannten "Partner Trailblazer Score" eingeführt. Dieser erfasst den Erfolg der Partner bei ihren Kunden, deren eigene Innovationsfähigkeit und ihr Engagement für Salesforce-Technologien.

In Deutschland arbeitet Salesforce mit etwa 190 Consulting-Partnern zusammen. Im Gespräch mit ChannelPartner betonte Marietta Pütz, die seit über sieben Jahren in verschiedenen Rollen den Channel von Salesforce betreut, dass die Zahl der Partner in Deutschland immer wieder schwankt: "Manche unserer Partner erfüllen unsere Anforderungen nicht, dann müssen wir uns von ihnen trennen, aber grundsätzlich wachsen unsere Partner mit uns und wir erweitern unser Netzwerk kontinuierlich", so Pütz weiter. Beratungshäuser und Agenturen sind da vor allem gefragt.

Der andere Partnertypus bei Salesforce, die ISV-Community, präsentiert sich auf dem herstellereigenen App-Marktplatz "AppExchange.

Mendix

Mendix ist eine Siemens-Tochter und richtete sich mit ihrer No-Code/Low-Code-Plattform daher zunächst im Direktvertrieb an große Unternehmen. Mendix sieht ebenfalls viel Potenzial darin, Unternehmen dabei zu helfen, ihre Kernsysteme zu modernisieren und ihr Anwendungsportfolio auszubauen, um sich neue Bereiche zu erschließen oder neue Geschäftsmodelle zu unterstützen. Am einfachsten gehe dies in der engen Zusammenarbeit zwischen Business- und IT-Teams. Die Mendix-Plattform nutzen bereits mehr als 4.000 Unternehmen weltweit.

Im Februar 2022 hat Mendix seine Kooperation mit AWS erweitert. Seitdem sind drei Mendix-Angebote auf dem AWS Marketplace verfügbar: die Mendix Low-Code-Plattform, intelligente Automatisierung für Banken und intelligente Automatisierung für Versicherungen. Weitere Branchenlösungen sollen folgen. Ziel ist es, den Beschaffungs- und Bereitstellungsprozess für Kunden zu vereinfachen.

Bereits im Sommer 2021 hat Mendix mit Stefan Brotzler einen neuen Sales Director für den industriellen Bereich geholt. Er kam von Salesforce, war aber vorher schon bei Datalog Software und Comparex Group (heute SoftwareONE). Mit Thomas Renk, Sales Director für den nicht-industriellen Bereich, bildet Brotzler bei Mendix in der DACH-Region eine Doppelspitze.

Gemeinsam haben sie im Oktober einen stärkeren Channel-Fokus eingeführt. Grundlage ist die Channel-Neutralität: Das heißt, Mendix-Vertriebsarbeiter haben keine Nachteile, wenn ein Projekt über Partner abgewickelt wird. Ausnahme sind bestimmte Industriekunden, die direkt von Siemens bedient werden.

In einem ersten Schritt wollten Brotzler und Renk noch 2021 zwischen 15 und 20 neue Partner gewinnen. Für 2022 steht ein "massiver Ausbau" des Partner-Öksystems an. Dazu gehört nicht nur die Akquise neuer Partner, sondern auch die Intensivierung der Beziehungen zu bestehenden Partnern. Darin sehen die beiden viel Potenzial, habe Mendix doch über die Jahre eine große Partner-Community aufgebaut. "Unsere Technologie ist horizontal, sie lässt sich in jeder Branche nutzen", sagt Renk. "Um sie zu platzieren, muss man allerdings die jeweilige Sprache sprechen, deshalb suchen wir auch vertikale Partner." Die könnten auf interessantes Zusatzgeschäft hoffen. Denn laut Brotzler gibt es einen erheblichen Backlog bei Entwicklungsprojekten, weil Entwickler fehlen. Mendix schaffe da Abhilfe.

Neben der Modernisierung sieht er aber auch Innovationsprojekte oder die Verbindung bisher getrennter Geschäftsprozesse über unterschiedliche Systeme hinweg als Ansatzpunkte für den Vertrieb.

OutSystems

OutSystems wurde 2001 in Portugal gegründet. Das Unternehmen hat seinen Sitz heute in Boston, die Entwicklung aber nach wie vor in Portugal. Es wird zwar von Marktforschern als Low-Code-Anbieter eingestuft, sieht sich selbst aber als Applikationsplattform, die sich durch Integrationsmöglichkeiten und Integration von KI-unterstützten Tools auszeichnet. Ziel ist es, Entwickler dabei zu unterstützen, Applikationen schneller entwerfen und bereitstellen zu können. Das Unternehmen kann auf mehr als 435.000 Community-Mitglieder und Tausende aktiver Kunden in knapp 90 Ländern verweisen. Es beschäftigt selbst rund 1.600 Mitarbeiter und arbeitet mit über 350 Partnern zusammen. Das sind bisher vor allem große Firmen, darunter Deloitte, KPMG, PwC, Accenture und in Deutschland auch Adesso. Angesichts des Fachkräftemangels positioniert sich OutSystems seit Sommer 2021 auch für kleinere IT-Dienstleister als Möglichkeit, konkurrenzfähig zu Near- und Offshoring-Anbietern zu werden.

"Wenn man dieselben Tools nutzt wie die, wird das nicht gelingen", erklärt Michael Stanscheck, der als Regional Channel Manager Central Europe die Partner betreut. Mit dem hohen Grad an Automatisierung und der KI-Unterstützung bei OutSystems sei das aber möglich. Ein guter Ansatzpunkt sei etwa die vielfach anstehende Modernisierung von Altsystemen, um die Interaktion mit Kunden zeitgemäß zu gestalten.

Kurse und Zertifizierungen sind bei OutSystems für Partner kostenfrei, allerdings mit Aufwand verbunden: Die Presales-Zertifizierung dauert zwei Wochen. Insgesamt ist die Aufnahme neuer Partner straff organisiert: Zuerst werden geeignete Mitarbeitende identifiziert und für diese dann ein Ausbildungsplan erstellt. Anschließend wird der gemeinsame Marktauftritt geplant und schnell das erste kollektive Projekt gesucht.

Ein Schwerpunkt dabei ist, Unternehmen bei der Migration in die Cloud zu unterstützen. "Denn Cloud-Migration bedeutet nicht, die vorhandenen Anwendungen einfach so in die Cloud zu kopieren. Vielmehr ist dazu eine umfassende Re-Architektur erforderlich, um die Applikationen bestmöglich den neuen Anforderungen anzupassen", erklärt Stanscheck.

Der Vorteil dabei: Nach dem ersten erfolgreichen Projekt entdeckten Firmen in der Regel zahlreiche weitere. Partner dürfen also auf reichlich Folgegeschäft hoffen. Damit das klappt, begleitet sie der Anbieter beim ersten Projekt. Die Plattform von OutSystems wird zwar bei AWS betrieben, wenn Kunden das aber nicht geheuer ist, dann kann der Betrieb auch auf eigener Infrastruktur erfolgen.

Webcon

Nicht von Gartner berücksichtigt wurde der polnische Software-Anbieter Webcon. Dabei ist dessen Low-Code-Plattform Webcon BPS für den Channel besonders attraktiv. Die Abkürzung BPS steht für Business Process Suite. Sie eignet sich laut Hersteller gut zum Automatisieren und zum Managen von Geschäftsprozessen.

Im Channel hat Webcon noch viel vor. 2022 und 2023 möchte das Unternehmen jeweils fünf neue Partner pro Jahr an Bord nehmen, wie Philipp Erdkönig, Partner Channel Manager bei Webcon, erläuterte. Man plane, nur "strategische und langfristige Partnerschaften" einzugehen, denn der Onboarding-Aufwand ist schon beträchtlich: Der geht bei vertrieblicher und technischer Ausbildung der Partner los, setzt sich mit der Betreuung der Partner bei ersten Kundenprojekten fort und hört mit dem After-Sales-Support noch nicht auf: "Auch nach dem ersten Jahr ist die Zusammenarbeit mit unseren Partnern sehr intensiv", so der Channel-Manager.

Dennoch lohnt es sich seiner Ansicht nach, Vertriebspartner zu werden, weil man eben sofort neue Kunden gewinne. Und auch der Zugang zu Webcons Partner-Ökosystem sei ohne große Hürden möglich. Zwar sei der Aufwand für Schulungen erheblich, vor allem wenn man als Webcon-Partner noch Spezialkenntnisse wie Systemadministration oder SDK-Entwicklung erwerben möchte, dafür winken aber rasch lukrative Dienstleistungsaufträge von Kunden. "Die Key Accounts unserer Partner generieren Dienstleistungsumsätze zwischen 600 und 1.500 Personentagen pro Jahr", so Erdkönig gegenüber ChannelPartner.

Natürlich überlässt der Hersteller seinen Partnern auch gern eigene Kundenanfragen ("Leads") und verspricht, mit ihnen nie in Wettbewerb um diese Kunden zu treten.

Monday.com

Zum erweiterten Kreis der Low-Code-Plattform-Anbieter zählt auch Monday.com. Zu Beginn seines Engagements in Deutschland hat der israelische SaaS-Anbieter Kunden direkt gewonnen, doch seit über einem Jahr arbeitet Monday.com auch in der deutschsprachigen Region mit Partnern zusammen, und diese Partner haben bereits über 800 Kunden gewonnen.

Zu den Vorzeige-Resellern von Monday.com zählt Demicon. Der AWS Consulting Partner mit Niederlassungen in DACH, Großbritannien und Lettland hat bei Monday den Status eines Platin-Partners erworben. Darüber hinaus arbeitet der SaaS-Anbieter aus Israel mit acht Gold-Partnern zusammen, unter anderem Communardo aus Dresden und Micronova aus Dachau. Die Kooperation mit den Vertriebspartnern legt ein Partnerprogramm fest. Es unterscheidet zwischen Resellern ("Vertriebspartner"), Tipp-Gebern ("Empfehlungspartner"), Technologielieferanten wie Microsoft und Adobe sowie strategischen Allianzen mit globalen Systemintegratoren wie KPMG, Accenture und Deloitte.

Dabei differenziert Monday.com zwischen drei Partnerstufen: Silber, Gold und Platin. Ab dem Silber-Status verlangt der SaaS-Anbieter einen jährlichen Mindestumsatz von 60.000 Dollar. Goldpartner müssen zwischen 300.000 und 750.000 Dollar mit der Software erwirtschaften, Platin-Partner mehr als 750.000 Dollar jährlich. Außerdem erfasst der Anbieter die Kundenzufriedenheit. Nur wenn diese einen vorgegebenen Wert überschreitet, gilt die Einstufung, dann winken Rabatte von bis zu 35 Prozent.

Weitere Voraussetzung zum Erhalt des Top-Levels "Platin" ist die Ausbildung von fünf Vertriebsspezialisten und drei Consultants, bei Gold sind es drei Sales- und zwei technische Manager.

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