Arbeitszeugnisse auf dem Prüfstand, Teil 1

Notenvergabe in qualifizierten Arbeitszeugnissen

28.06.2010

Notendurchschnitt und Auffälligkeiten

Der Notendurchschnitt beträgt für Männer und Frauen gemeinsam für die übliche Schulnotenskala von "Note 1" bis "Note 6" berechnet eine "1,89", also eine "gute Zwei" bzw. eine "2+". Der minimale Unterschied von 0,01 Prozentpunkten zwischen Männern und Frauen ist nicht signifikant.

Gleichzeitig relativiert die Untersuchung der Auffälligkeiten diesen sehr positiven Eindruck. Denn von den untersuchten 1100 Zeugnissen wiesen 765 gravierende Auffälligkeiten auf (wie sie in den Ausführungen zum Studiendesign beschrieben wurden). Die häufigsten Auffälligkeiten waren hierbei fehlende Bewertungen zu bestimmten Leistungsaspekten. Sehr häufig wurde z.B. die Arbeitsqualität nicht bewertet, hinzu kommt das bereits beschriebene Fehlen einer Leistungszusammenfassung bei mehr als 10% der Dokumente. Weitere oft beobachtete Mängel waren Abweichungen zwischen einer positiven Gesamtnote und deutlich schlechteren Einzelwertungen sowie das Fehlen von Dank und/oder Bedauern. Die gefundenen Mängel wecken daher bei einem Großteil der Zeugnisse deutliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der darin enthaltenen Gesamtnote.

IV. Schlussfolgerungen

Gerade im Vergleich mit der 1994 von Weuster durchgeführten großen Studie zum Thema Arbeitszeugnisse lassen sich interessante Schlussfolgerungen aus den Resultaten der aktuellen Untersuchung ziehen. So ergab seine statistische Inhaltsanalyse aus dem Jahr 1994 einen Notenschnitt von "2,4".

Gemäß den Ergebnissen unserer aktuellen Studie hat sich die Anzahl der "sehr guten" Bewertungen im Vergleich zu 1994 praktisch verdreifacht, gleichzeitig hat sich die Zahl "befriedigender" Noten halbiert und der Anteil "guter Bewertungen" ist ebenfalls deutlich (um rund 12%) geschrumpft. Auch "ausreichende" Zeugnisse sind heute deutlich seltener. Hieraus lässt sich klar ersehen, dass sich der Schwerpunkt in den Bewertungen mittlerweile signifikant in Richtung "Note 1" verschoben hat.

Der Anteil an Arbeitszeugnissen, die keine Zufriedenheitsformel enthielten hat sich hingegen kaum verändert (er lag damals wie heute bei ca. 12%). Dass weiterhin der gleiche Anteil an Arbeitszeugnissen nicht die eigentlich mittlerweile obligatorische Zufriedenheitsformel enthält, kann zunächst zu dem Schluss führen, dass die Kompetenz der Arbeitgeber in Sachen Zeugniserstellung sich nicht deutlich weiterentwickelt hat, da es letztlich gängiger Standard der Zeugnisschreibung ist, jedes Zeugnis mit einer Gesamtnote zu versehen.

Dass sich gleichzeitig die Noten verbessert haben, es jedoch in den vergangenen Jahren (bis 2009) nicht zu einem signifikanten Anstieg von Arbeitsgerichtsprozessen um Arbeitszeugnisse kam, erscheint dabei aber auf den ersten Blick verwunderlich.

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